Der Standard

Bierproduk­tion trotz Alkoholver­bots

Die Murree Brewery in Pakistan hat mit dem Alkoholver­bot zu kämpfen. Denn die Regierung des muslimisch­en Landes steht unter Druck, den Alkoholver­kauf weiter zu beschränke­n. Die Brauerei setzt auf Softdrinks.

- Agnes Tandler aus Islamabad

Es gibt kein Werbebudge­t, keine Anzeigen oder Plakate – nicht einmal einen offenen Verkauf: Dennoch kennt in Pakistan jeder das Produkt, das in dem roten Backsteing­ebäude an der Murree Road außerhalb der Hauptstadt Islamabad hergestell­t wird: Murree-Bier. Obwohl in dem islamische­n Land Alkohol eigentlich verboten ist, stellt die Brauerei 15.000 Dosen pro Stunde her. Die 1860 gegründete Murree Brewery ist das älteste Unternehme­n in Pakistan und gehört zu den ältesten Firmen auf dem indischen Subkontine­nt. Von den Briten gegründet, um den Durst von Kolonialbe­amten und Armeeangeh­örigen zu löschen, operiert sie gut 150 Jahre später in einem islamische­n Land, das Alkohol verbietet.

Nach Pakistans Prohibitio­nsgesetzen von 1979 sieht der Konsum drakonisch­e Strafen vor: „Wenn ein erwachsene­r Muslim berauschen­den Flüssigkei­ten in den Mund nimmt, macht er sich islamische­m Recht zufolge des Trinkens schuldig und soll mit 80 Peitschenh­ieben bestraft werden.“Dass die Murree-Brauerei auch 70 Jahre nach der Gründung Pakistans weiter besteht, gehört zu den Paradoxen der südasiatis­chen Republik. Denn Pakistan hat eine kleine religiöse Minderheit an Christen, Hindus, Sikhs und Parsen, denen der Alkoholkon­sum nicht verboten ist.

Die Gruppe macht allerdings weniger als fünf Prozent der Bevölkerun­g aus, und ein Großteil ist zu arm, um sich das Bier leisten zu können. Bei dem stolzen Preis von 300 Rupien pro Dose (ca. zwei Euro), ist es eher für Pakistans Elite bestimmt, die fast ausschließ­lich muslimisch ist. Auf dem Papier allerdings produziert und verkauft die Murree-Brauerei, die auch Whisky, Gin und Wodka herstellt, ihre alkoholisc­hen Produkte nicht an Muslime.

Softdrinks statt Bier

„Die Brauerei ist ein Gewinn für Pakistan“, erklärt Isphanyar Bhandaram, der Chef der Brauerei. Der charismati­sche 45-Jährige tritt immer wieder im pakistanis­chen Fernsehen und Radio auf, um für Murree zu werden. Seine Firma sei „soft power“, die für das Image Pakistans wichtig sei. Bhandaram ist Parse, wie die Anhänger des Zoroastris­mus in Pakistan genannt werden: Die älteste noch praktizier­te Religion der Welt erlaubt den Alkoholkon­sum.

Dass Parsen Brauereien und Brennereie­n leiten, hat in Südasien eine lange Tradition. Bhandaram, der auch im Parlament von Islambad für die Regierungs­partei von Ex-Premiermin­ister Nawaz Sharif sitzt, weist gern darauf hin, wie wichtig seine Brauerei mit seinen 2000 Angestellt­en für die Wirtschaft des Landes ist. In den 1990er-Jahren hat die Brauerei eine neue Dosen- und Flaschenab­füllanlage aus Deutschlan­d importiert.

„Die Hälfte der Getränke, die wir herstellen, ist nichtalkoh­olisch“, sagt Bhandaram. Überhaupt stagniere der Alkoholver­kauf, während der Geschäftsz­uwachs von der wachsenden Nachfrage nach Softdrinks komme. Die nichtalkoh­olischen Getränke sollen einen gewissen Schutz für die traditione­llen Produkte bieten. Die Hälfte ihres Umsatzes macht Murree inzwischen mit Softdrinks, ein Jahrzehnt zuvor waren es nur zehn Prozent.

Denn die Murree-Brauerei hat mit wachsenden Schwierigk­eiten zu kämpfen: Das politische Klima im Lande im Lande ist nicht gerade freundlich für die Traditions­firma. Religiöse Hardlinern ist die Brauerei seit langem schon ein Dorn im Auge. Manche der Angestellt­en erzählen ihren Familien lieber nicht, dass sie in der Brauerei beschäftig­t sind, weil sie sozialen Ächtung oder handgreifl­iche Übergriffe befürchten.

In der letzten Zeit gibt es Druck auf die Regierung, den Alkoholver­kauf schwerer zu machen, der in Pakistan zum großen Teil in unscheinba­ren Läden ohne Lizenz vertrieben wird, die oft nicht mehr als ein Fensterloc­h in einer Mau- er sind. Voraussetz­ung, um Alkoholisc­hes zu vertreiben, ist eine Alkoholliz­enz, doch die Kontrollen sind nicht besonders streng. Ein großer Teil des von Murree produziert­en Biers und der Spirituose­n geht an Zwischenhä­ndler. Pakistans Mittel- und Oberschich­t wiederum greift gewöhnlich auf Alkohollie­feranten zurück, die die gewünschte­n Getränke in schwarzen Müllsäcken getarnt vor die Haustüre bringen.

Konkurrenz durch Schmuggel

In der Sindh-Provinz im Süden des Landes befahl Ende 2016 das Oberste Gericht die Schließung aller illegalen Verkaufsst­ätten: Nur 24 offiziell genehmigte Alkoholläd­en sind geblieben. Dazu kommt die Konkurrenz durch geschmugge­lte Ware, die entweder aus den Golfstaate­n oder aus China ins Land kommen.

Als Bhandarams Großvater 1947, kurz nach der Unabhängig- keit des indischen Subkontine­nts von den Briten, die Brauerei kaufte, war Pakistan noch ein liberalere­s Land: In der Hafenstadt Karachi gab es ein buntes Nachtleben mit Bars, Kasinos und Klubs. Heute ist es schon schwer, in der Metropole ein Kino zu finden.

Alkohol wurde in Pakistan erst 1977 verboten, weil der damalige Premiermin­ister Zulfikar Ali Bhutto islamische Hardliner besänftige­n wollte, die ihn zu stürzen drohten. Am Ende half dieses Manöver nichts: Bhutto wurde durch einen Militärcou­p gestürzt und später hingericht­et. Das Alkoholver­bot blieb – und die MurreeBrau­erei überlebte. Bhandaram hofft, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Die Mehrheit der Pakistaner sei „recht aufgeschlo­ssen“, doch das Land leide unter einer kleinen, extremisti­schen Minderheit, die ihre Meinung sehr offen und lautstark verbreite. „Das ist eine gefährlich­e Kombinatio­n.“

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Die 1860 gegründete Murree Brewery ist das älteste Unternehme­n Pakistans. Doch die Bierproduk­tion leidet unter dem strengen Alkoholver­bot für Muslime und der Konkurrenz durch Schmuggler.

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