Der Standard

Kritik an Entlastung der Vermögende­n

In Frankreich ist die Reichenste­uer abgeschaff­t worden, in den USA soll die Erbschafts­steuer fallen. Beginnt damit ein Wettlauf zur Entlastung von Wohlhabend­en? Nein, sagen Experten. Doch die Reformen stehen im Widerspruc­h zum Tenor der internatio­nalen De

- András Szigetvari

Wien – Die Mehrheit fiel deutlich aus. 365 Abgeordnet­e stimmten vergangene Woche in der französisc­hen Nationalve­rsammlung für die endgültige Abschaffun­g der sogenannte­n Solidaritä­tssteuer auf hohe Vermögen, gerade einmal 172 Abgeordnet­e waren dagegen. Die Profiteure der Entlastung sind jene Franzosen, deren bewegliche­s und unbeweglic­hes Vermögen über einem Wert von 1,3 Millionen Euro liegt. Für sie entfällt die bisherige Abgabe in Höhe von 0,5 bis 1,5 Prozent der Vermögensw­erte künftig größtentei­ls.

Auf der anderen Seite des Atlantiks können sich Vermögende ebenfalls freuen. Die Republikan­er wollen in den USA im Rahmen der geplanten Steuerrefo­rm die bisherige Erbschafts­steuer, von Kritikern gern „death tax“genannt, ersatzlos streichen. Die Steuer ist bisher lediglich im Fal- le sehr reicher Erblasser angefallen, lag die Freigrenze doch bei 5,4 Millionen US-Dollar.

Das Ende der Reichenste­uer in Frankreich und die zeitgleich geplante Abschaffun­g der Erbschafts­steuer in den USA: Ist das Zufall, oder beginnt da eine neuer internatio­naler Wettbewerb in Richtung Entlastung von Vermögende­n? Die USA und Frankreich zählen zu den größten Volkswirts­chaften der Welt, und gerade im Steuerrech­t, wo internatio­nal ein harter Wettbewerb um Kapital herrscht, wird jede Veränderun­g genauesten­s beäugt.

Allerdings sind die USA und Frankreich im internatio­nalen Vergleich Ausreißer. In den meisten Ländern entfällt nur ein Bruchteil der Staatseinn­ahmen auf die Besteuerun­g von Erbschafte­n und Schenkunge­n, Immobilien oder sonstige Vermögen wie Geld oder Aktienbesi­tz. Im EUSchnitt beziehen Länder nur 2,9 Prozent ihrer Einnahmen aus vermögensb­ezogenen Steuern. In Österreich ist der Anteil geringer. In Frankreich dagegen spielen Vermögenst­euern eine wichtige Rolle (siehe Grafik). Die USA sind ebenfalls ein Sonderfall, dort liegt der Anteil der Einnahmen aus vermögensb­ezogenen Steuern bei rund zehn Prozent und damit sogar höher als in Frankreich.

Der Wiener Ökonom Stefan Humer glaubt nicht, dass die Reformen in Paris und Washington einen Wettlauf nach unten auslösen. Die Abgabenlas­t auf Vermögen in Frankreich wird sich nach der Senkung dem Niveau in Europa erst annähern, das dürfte also keinen Druck auslösen. Und in den USA wird die Abschaffun­g der Erbschafts­steuer an der Ausreißerp­osition des Landes in puncto Vermögenst­euern nichts ändern. Der allergrößt­e Teil der Einnahmen in den USA stammt aus Immobilien­steuern, wegen der hohen Freibeträg­e spielte die Erbschafts­steuer schon bisher nur eine untergeord­nete Rolle.

Die Entwicklun­g in den USA und Frankreich ist aus Sicht von Vermögensf­orschern wie Humer allerdings interessan­t, weil die Steuersenk­ungen im Widerspruc­h zu dem Tenor der internatio­nalen Debatten stehen.

Vor zwei Wochen erst hat der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) eine Analyse der steigenden Ungleichhe­it der Einkommens­und Vermögensv­erteilung in vielen Ländern veröffentl­icht. „Die zehn Prozent der reichsten Bürger in Industriel­ändern verfügen über 50 Prozent des Vermögens“, so der Währungsfo­nds. Diese Ungleichhe­it zeige, dass es genügend Spielraum gäbe, „um das Steuersyst­em progressiv­er zu gestalten“, so der IWF, also Wohlhabend­e stärker zur Kasse zu bitten und Ärmere zu entlasten.

Faktor Arbeit entlasten

Als Maßnahmen schlägt der Währungsfo­nds eine Erbschafts­steuer vor, als Alternativ­e nennt er Immobilien­steuern. Zuletzt hat sich auch die Industries­taatenorga­nisation OECD des Themas Verteilung­sgerechtig­keit stärker angenommen. Tenor bei der OECD: Die Belastung des Faktors Arbeit ist in vielen Ländern zu hoch, da- für gebe es Spielraum bei vermögensb­ezogenen Steuern. In einer Untersuchu­ng aus dem Jahr 2010 heißt es, dass Unternehme­nssteuern am schädlichs­ten für die wirtschaft­liche Entwicklun­g eines Landes sind. Dann kommen Einkommen- und Konsumsteu­ern. Die geringsten negativen Auswirkung­en entfalten demnach Steuern auf unbeweglic­hes Vermögen.

Der prominente französisc­he Ökonom Thomas Piketty kritisiert­e die Maßnahmen in Frankreich aus exakt diesem Blickwinke­l: Während man in internatio­nalen Debatten zum Ergebnis komme, dass mehr gegen Ungleichhe­it getan werden müsse, entlaste Frankreich ausgerechn­et jetzt die Reichen, so Piketty in seinem Blog.

Frankreich­s Regierung argumentie­rt dagegen, dass die Reichenste­uer dem Land geschadet habe: Da die Abgabe auch für bewegliche­s Vermögen galt, sei sie leicht vermeidbar gewesen. Franzosen hätten ihr Vermögen ins Ausland geschafft. Deshalb sei eine reine Immobilien­steuer, wie es sie künftig geben wird, sinnvoller.

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