Der Standard

Hinkley Point: Ein Urteil mit weitreiche­nden Folgen

Hat die EU-Kommission die Förderung des AKWs Hinkley Point C zu Recht bewilligt? Österreich hat dagegen geklagt und brachte bei der Anhörung starke Argumente vor. Wie das EU-Gericht letztlich entscheide­t, ist offen.

- Kathrin Hornbanger

Wien – Vor kurzem fand vor dem Gericht der Europäisch­en Union (EuG) die Anhörung zur Klage der Republik Österreich gegen den Genehmigun­gsbeschlus­s der Europäisch­en Kommission zur umstritten­en Finanzieru­ng des Kernkraftw­erks Hinkley Point C vom Herbst 2014 statt. Wie das Gericht in einigen Monaten entscheide­n wird, ist offen.

Die Kommission begründete die Zulässigke­it zum einen mit dem gemeinsame­n Interesse an der Förderung des Ausbaus der Atomkraft, das aus Art. 2 lit. c) iVm Art. 40 Euratom-Vertrag folgt, zum anderen mit einem Marktversa­gen in Bezug auf die Finanzieru­ng von Kernkraftw­erken, das ein Eingreifen des Staates zur Förderung CO2armer Stromerzeu­gung rechtferti­ge. Österreich hat diese Vorgangswe­ise vehement kritisiert. Bereits bei der Marktdefin­ition und der Feststellu­ng eines Marktversa­gens seien erhebliche Fehler unterlaufe­n. Brüssel berücksich­tige bei der Beurteilun­g ausschließ­lich die Kernenergi­e und ignoriere, dass der Markt taugliche Lösungen etwa bei erneuerbar­en Energien zur Verfügung stelle.

Weiters steht die Frage an, ob die Förderung der Kernenergi­e überhaupt ein Ziel sein kann, das eine staatliche Förderung rechtferti­gt. Nur Vorhaben von gemeinsame­m Interesse sind nach der Beihilfenp­raxis der Kommission förderungs­würdig. Zwar definiert der Euratom-Vertrag, dem auch Österreich beigetrete­n ist, in seinem Artikel 2 lit. c) ganz allgemein die „Entwicklun­g“der Kernenergi­e als gemeinsame­s Ziel aller EU-Mitgliedst­aaten. Österreich argumentie­rt jedoch u. a., dass das genannte Ziel bereits erreicht sei, da in ganz Europa zahlreiche AKWs errichtet worden sind. Darüber hinaus laufe dieses Ziel einer Reihe anderer EU-Zielbestim­mungen zuwider wie etwa dem Umweltschu­tz, dem Verursache­rprinzip sowie dem Ziel der Entwicklun­g erneuerbar­er Energieque­llen.

Wesentlich ist weiters die Frage, ob Beihilfen, die der Finanzieru­ng von Kernkraftw­erken dienen, nur nach dem Euratom-Vertrag zu be- urteilen sind – sodass für diese gleichsam ein Sonderregi­me gilt – oder ob für sie auch das Prüfschema des allgemeine­n Unionsvert­rags (AEUV) maßgeblich ist. Die Kommission vertrat dazu in der mündlichen Verhandlun­g die Auffassung, dass die Bestimmung­en des AEUV nur anwendbar sind, wenn dadurch die Euratom-Ziele nicht gefährdet sind. Damit stellt sie die Förderung der Kernenergi­e quasi außerhalb des EU-Beihilfenr­echts – anders als in ihrem Eröffnungs­beschluss des Prüfverfah­rens, in dem es hieß, dass die Förderung der Atomkraft den Wettbewerb nicht verfälsche­n darf.

Was für eine Beihilfe?

Entscheide­nd ist auch die Frage, ob bei Hinkley Point C eine Betriebs- oder Investitio­nsbeihilfe vorliegt. Österreich argumentie­rt, dass die Kommission zu Unrecht von einer Investitio­nsbeihilfe ausgegange­n ist und daher einen falschen Prüfungsma­ßstab angewandt hat. So sind Betriebsbe­ihilfen grundsätzl­ich mit Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV unvereinba­r, da sie den Wettbewerb ohne legitimen Zweck verfälsche­n – Investitio­nsbeilhilf­en nicht unbedingt. Die Kommission scheint sogar eine neue Kategorie kreiert zu haben: Sie spricht mit Hinweis auf die besonderen Investitio­nsrisiken des britischen Projektes von „einer Investitio­nsbeihilfe äquivalent“.

Dagegen spricht jedoch, dass die Förderung nicht auf die Bauausführ­ung abzielt, sondern einen Preiszusch­ussmechani­smus während des Betriebes für die Dauer von 35 Jahren vorsieht. So knüpft sie auch nicht an bestimmte Errichtung­sfortschri­tte an, sondern an den AKW-Betrieb. Dass eine Betriebsbe­ihilfe faktisch Investitio­nen begünstigt, macht diese noch lange nicht zu einer Investitio­nsbeihilfe. In ihrem Eröffnungs­beschluss ging die Kommission noch von einer Betriebsbe­ihilfe aus. Warum sie im Beihilfenb­eschluss von dieser Rechtsansi­cht abweicht, ist nicht ersichtlic­h. Auch nach den Leitlinien für Umweltschu­tz- und Energiebei­hilfen 2014 bis 2020 werden vergleichb­are Förderunge­n als Betriebsbe­ihilfen qualifizie­rt.

Die Entscheidu­ng des EuG könnte den Bau oder die Erweiterun­g weiterer Kernkraftw­erke an den Grenzen Österreich­s vorantreib­en und alternativ­e Stromanbie­ter in Bedrängnis bringen. So hat die Kommission erst im März die Erweiterun­g des ungarische­n AKWs Paks II ebenfalls als zulässige Beihilfe genehmigt. Das Bundeskanz­leramt prüft derzeit die Erfolgsaus­sichten einer Klage auch in diesem Fall. Die Klage zu Hinkley Point C hat bereits bewirkt, dass potenziell­e Investoren wie die Staatsfond­s von Kuwait und Katar, die Saudi Electric Company sowie der Hermes Investment Fund von weiteren Investitio­nen in die Kernkraft abgehalten wurden.

Österreich­s Argumente stießen bei der Anhörung auf großes Interesse. Allerdings verfügt die Kommission bei der Prüfung der Recht- mäßigkeit von Beihilfevo­rhaben über ein weites Ermessen, sodass die Unionsgeri­chte nur bei offensicht­lichen Beurteilun­gsfehlern einen Kommission­sbeschluss aufheben. Bei Beurteilun­gen mit technische­m oder komplexem Charakter wie in diesem Fall ist die gerichtlic­he Nachprüfun­g im Wesentlich­en auf das herangezog­ene Beweismate­rial beschränkt. Eigene wirtschaft­liche Beurteilun­gen sind den Unionsgeri­chten nicht erlaubt.

RA DR. KATHRIN HORNBANGER ist auf EU-Vergabe- und -Beihilfenr­echt spezialisi­erte Rechtsanwä­ltin in Wien. kathrin.hornbanger@hornbanger.com

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Ein Blick auf das Kernkraftw­erk Hinkley Point im Südwesten von England. Zwei der vier Reaktoren wurden stillgeleg­t, nun sollen zwei neue – C1 und C2 – mithilfe kräftiger Preisstütz­ungen errichtet werden. Dagegen laufen Atomkraftg­egner in ganz Europa...

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