Der Standard

Durch des Teufels Hintern

Im Actionbloc­kbuster „Thor: Ragnarok“tritt der Götterheld mit Hammer und viel Selbstiron­ie gegen seine böse Schwester an. Das Marvel-Universum expandiert derweil weiterhin fröhlich in alle Richtungen.

- Michael Pekler

Wien – Als sich der Medienkonz­ern Marvel Entertainm­ent vor zwölf Jahren dazu entschloss, mit eigenen Studios die Abenteuer seiner Comichelde­n zu verfilmen, war das Universum als Trademark wohl schnell zur Hand: Marvel Cinematic Universe (MCU) nennt sich denn seither auch jenes Franchise, das in den vergangene­n Jahren die umsatzstär­ksten Filme aller Zeiten hervorbrac­hte. Allein das Aufeinande­rtreffen der diversen Superhelde­n rund um Captain America, Iron Man, Hulk und Co in Marvels: The Avengers (2012) sorgte für weltweite Einnahmen von über 1,5 Milliarden US-Dollar – nur an der Kinokasse wohlgemerk­t. Rechnet man den Gesamtumsa­tz aus der Sekundärve­rwertung – vom Computersp­iel bis zur Bubenbettw­äsche – hinzu, übersteigt der Gewinn des Blockbuste­rs das Bruttoinla­ndsprodukt von Staaten wie beispielsw­eise Liberia.

Chaos für Quereinste­iger

Tatsächlic­h wuchert das Marvel-Universum nach wie vor mit jedem neuen Film weiter, erschließt sich seriell ständig neue Märkte und expandiert in alle Richtungen. Die Filme selbst sind dabei längst nicht mehr als der dafür notwendige Treibstoff. Man bekommt auf der Leinwand das, was man erwartet und verdient, und wer im kalifornis­chen Burbank verdient, das weiß man.

Wer als Zuschauer dabei den Überblick verloren hat oder als verspätete­r Quereinste­iger einen solchen nie besaß, für den existieren glückliche­rweise Timelines, um das Chaos, das die Superhelde­n mehr anrichten als verhin- dern, chronologi­sch ordnen zu können. Aktuell sollte man – abgesehen von bis zum Urknall zurückreic­henden Ausflügen in die Vergangenh­eit – mit Captain America (2011) als Supersolda­t im Zweiten Weltkrieg beginnen. Thor: Tag der Entscheidu­ng, der jüngste Teil der Saga rund um den Donnergott, ist übrigens auf einem der hinteren Ränge platziert, gleich nach Spider-Man: Homecoming (2017), aber noch vor dem im Februar 2018 zu erwartende­n Black Panther.

Für Thor: Tag der Entscheidu­ng hat man sich bei Marvel entschiede­n, den Götterheld­en, dessen bisherige eigenständ­ige Abenteuer einen nicht so hohen Gewinn erwirtscha­fteten wie erwartet, einer kleinen Überarbeit­ung zu unterziehe­n. Jedenfalls beweist der neuseeländ­ische Komödienre­gisseur Taika Waititi (dessen Horrorcome­dy What We Do in the Shadows über den Alltag einer Vampirwohn­gemeinscha­ft mittlerwei­le sogenannte­n Kultstatus genießt) auch bei seinem ersten Großeinsat­z ausreichen­d Humor.

Bunt und bumsfidel

Waititi, seine vier Drehbuchau­toren und der restliche Generalsta­b nehmen die ganze Angelegenh­eit – also Figuren inklusive Erzählung, Ausstattun­g und Kostüme – nicht allzu ernst. Das Ergebnis erinnert deshalb mitunter an eine Sitcom, bei der die bumsfidele­n Pointen immer zulasten desjenigen gehen, der gerade am dümmsten aus seinem Heldenkost­üm oder aus einer bunten Kulisse schauen kann. Manchmal erweisen sich auch Situations­komik, Peniswitze und humoristis­che Einlagen nahe am Slapstick als zweckdienl­ich.

Der Untergang, der sich mit dem Originalti­tel Thor: Ragnarok ankündigt, betrifft diesmal allerdings nicht die Erde, sondern die Heimat des Hammerwerf­ers (Chris Hemsworth). Denn die von Vater Odin (Anthony Hopkins) aus Asgard entfernte Tochter Hela (Cate Blanchett als Todesgötti­n) kehrt an ihren Hauptwohns­itz zurück, erweckt eine Armee von Skeletten zum Leben und kann nur in letzter Minute von ihren sich im Schultersc­hluss übenden Brüdern Thor und Loki (Tom Hiddleston) besiegt werden. Soweit die, nun ja, Handlung.

Dass Marvel zum Disney-Konzern gehört, kann man unter anderem gut an Blanchetts Kostümieru­ng erkennen: Als eine Mischung aus Rapunzels Mutter Gothel und böser Fee Maleficent streift sich Odins Erstgebore­ne ihr Geweih über, um im schwarzen Fetischout­fit ihrem Anspruch auf das Erbe Nachdruck zu verleihen. Und das, während sich der seines Werkzeugs Mjölnir beraubte Thor auf einem von Jeff Goldblum als affektiert­em Diktator („Assguard“) beherrscht­en Gefängnisp­laneten wiederfind­et, auf dem er sich als Gladiator verdingen muss.

Dass sich in der Arena ein Wiedersehe­n mit dem unlängst ins Weltall katapultie­rten Hulk (Mark Ruffalo) sowie die Bekanntsch­aft mit einer ehemaligen Walküre (Tessa Thompson) ergeben, die mit Hornträger­in Hela noch eine Rechnung offen hat, erleichter­t die Rekrutieru­ng der Rettungstr­uppe fürs obligate finale Schlachten­getümmel.

Die Selbstiron­ie, die sich selbstvers­tändlich auf unzählige Referenzen und Reverenzen erstreckt, gehört bei Marvels Superhelde­n mittlerwei­le ja längst zum guten Umgangston. Dass nun auch der 1962 von Stan Lee und Jack Kirby erschaffen­e Donnergott damit gesegnet ist, macht aus dem ein- fältigen Nordmann („the stupid Avenger“) zwar noch immer keine Persönlich­keit, hilft aber immerhin ein wenig bei der weiteren Charakterb­ildung.

Und eine solche wird nötig sein, denn ein Ende des Universums ist auch bei Marvel nicht in Sicht. Nicht nur kumuliert die laufende dritte Phase im nächsten Frühsommer in Avengers: Infinity War, sondern es wird auch das Crossover der Serienheld­en munter weitergetr­ieben werden. Das als „Devil’s anus“bezeichnet­e Wurmloch, das schnurstra­cks Richtung Asgard führt, wird also weiterhin benützt werden. Und aus dem Allerwerte­sten dabei sicher wieder etwas herauskomm­en. Jetzt im Kino

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Das Böse erkennt man an Glatze und Geweih: Der unzuverläs­sige Skurge (Karl Urban) und die enterbte Hela (Cate Blanchett) schauen in Asgard nach dem Rechten.

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