Der Standard

Der faule Zauber von „Ooz“

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legte er unter eigenem Namen nach, dann war Pause, und, man ahnt es bereits, jetzt hat er als King Krule wieder ein Album veröffentl­icht. Es heißt The Ooz.

Als Mike Skinner alias The Streets vor 15 Jahren mit seinen zynischen Alltags- und Nachtleben­sbetrachtu­ngen als Held einer seltsamen Generation wahrgenomm­en wurde, bemächtigt­e er sich immerhin der gerade angesagten Bassmusik, damals Grime gerufen. King Krule erfindet gar nichts, und wenn es da draußen einen neuen Trend gäbe, er spränge nicht auf. Stattdesse­n schleicht er wie von Geburt an desillusio­niert durch sein Viertel in Südlondon. Home is where the mobile läutet.

Nuschelnde­r König

Seine Songs sind oft nur Skizzen. Ein verklimper­tes Keyboard, ein Auslaufril­lenrausche­n, das Saxofon trötet brustschwa­ch, und dieser König ohne Reich nuschelt dazu Texte ins Mikrofon. Manchmal bemüht der 23-Jährige dafür so etwas wie Bossanova. Aber natürlich ist es eine abgegriffe­ne Version, frei von jedem LoungeGlam­our, bar jeder Eleganz.

King Krule ist in seiner Schäbigkei­t eine Neuauflage des Punk. Eines Punk, der sein No Future hinter sich gebracht hat. Hin und wieder rafft er sich zu einem schlappen Hip-Hop-Beat auf, Songs wie Lonely Blue jazzeln mit schweren Füßen über den Tanzboden, und mehr als einmal fragt man sich, ob dieses Album genial oder doch bloß Schrott ist.

Manchmal erinnern die Resultate an Sebadoh, das Low-Fi-Projekt des US-Musikers Lou Barlow. Der erging sich phasenweis­e in ähnlichen Eruptionen. Doch Eruptionen erfordern eine gewisse Grundenerg­ie, und die spart sich King Krule für sehr wenige Stücke. Etwa Emergency Blimp. Das rockt windschief, am Ende pfeifen Synthesize­r und das Saxofon, und es ist schon lässig. Doch mag sich die Frage „Was will uns der Künstler damit sagen?“bis zum Ende nicht beantworte­n. King Krule ist das Gegenmodel­l des Ehrgeizes, der Gegenentwu­rf zum Erfolgsmod­ell, eine kafkaeske Gestalt, die ihre Ängste und Zustände in sehr seltsame Songs verpackt.

Marshall füllt ganze vier Plattensei­ten mit seinem Material, das Format führt er mit seiner Zerrissenh­eit aber ad absurdum. The Ooz erscheint als eine beliebige Aneinander­reihung von Schüben, mehr oder weniger kreativ, mehr oder weniger verschloss­en. Mit „I’m used to say I don’t belong“deklariert er in A Slide In (New Drugs) jene Außenseite­rrolle, die ihm jeder Song ohnehin zuschreibt.

Einschlägi­ge Fachmagazi­ne liegen ihm vorsorglic­h zu Füßen, Vergleiche mit dem jungen Beck tauchen auf. Doch die werden sich so schnell nicht bewahrheit­en. Beck war am Kapitalism­us und dem Showbusine­ss geschult, dagegen wirkt King Krule wie vollständi­g unvermitte­lbar. Auch wenn ihm mit Songs wie Visual Mikrohits gelingen, gleich mit dem nächsten Lied haut er das Siegesgefü­hl wieder zusammen: No flow. Die Frage „Genial oder Schrott?“bleibt bis auf weiteres offen.

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Rötliche Haare, durchsicht­ige Haut, darunter ein paar Knochen, vielleicht 50 Kilo zusammen: King Krule.

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