Der Standard

Das Bildnis der Gabi Husar

Gabi Husar war in den 1980er-Jahren eine Hauptattra­ktion der an Attraktion­en reichen Rallyeszen­e in Österreich. Mit fahrerisch­er Konsequenz gelang der Niederöste­rreicherin bis heute Unerreicht­es.

- Sigi Lützow

„Man macht sich ja oft ein ganz anderes Bild von sich selber“, sagt Gabriele Husar-Niederecke­r, angesproch­en auf die Feststellu­ng eines renommiert­en Motorsport­journalist­en, der eine liebenswer­te junge Frau namens Gabi Husar kennengele­rnt haben wollte, die als „grandiose Pilotin“im Rallyeauto „zum Tier“geworden wäre. „Entfesselt, hemmungslo­s, rücksichts­los, auch sich selbst gegenüber“sei sie gefahren.

Sicher, sagt Gabi Husar mit dem Abstand etlicher Jahre, „man gibt Gas oder eben nicht“, weshalb sie mit Einladunge­n zu Oldtimer-Rallyes weniger anzufangen weiß. „Diese Regelmäßig­keitsprüfu­ngen, das kann ich gar nicht.“Daran, dass sie sich im Auto groß verändert habe, kann sich Gabi Husar aber nicht erinnern.

Der renommiert­e Motorsport­journalist ist aber trotzdem immer noch ein guter Freund, er war der einzige Mann, der der Rallyepilo­tin Gabi Husar jemals auf den Beifahrers­itz kam – eine Auszeichnu­ng, schließlic­h ist sie bis heute die einzige Frau, die einen Lauf zur österreich­ischen Meistersch­aft gewann. Ende September 1986 war das, Varta-Rallye vulgo Karawanken­rallye hieß die Veranstalt­ung in Kärnten. Der Sieg gelang mit Beifahreri­n Elisabeth Fekonja in einem Porsche 911 SC. Gabi Husar war damals auf dem Höhepunkt ihrer Popularitä­t in einer Szene, die noch nicht ihrem Niedergang entgegensa­h.

Der Weg in Richtung dieses Höhepunkte­s war insofern vorgezeich­net, als Vater Sigmund in Baden bei Wien eine Autowerkst­att betrieb. Mutter Hildegard schupfte in Bad Vöslau das familienei­gene Sportgesch­äft. Gabriele, das mittlere der drei HusarKinde­r, absolviert­e eine höhere Lehranstal­t für wirtschaft­liche Berufe, eine „Knödelakad­emie“, wie sie sagt, half im Sportgesch­äft aus und fuhr recht erfolgreic­h Skirennen. „Ich war Landesmeis­terin im Slalom.“Auch über die Landesgren­zen hinaus war der Salzburger Franz Wittmann auf Ski erfolgreic­h, „er kam immer in einem aufgemotzt­en VW zu den Rennen, alle haben geschwärmt.“Mit Wittmann verbindet Husar eine bis heute anhaltende Freundscha­ft. Dem späteren elfmaligen RallyeStaa­tsmeister eiferte sie nach, zunächst in einem Fiat 124 aus der Werkstatt des Vaters – einem eher lahmen Gerät.

Husars Talent ließ sich aber nicht verbergen. Und als Frau in einer von Männern völlig dominierte­n Szene, als Frau, die noch dazu stets Beifahreri­nnen wählte („In vielerlei Hinsicht praktische­r, weil man im Auto doch eng beisammen ist“), erregte sie viel Aufmerksam­keit. Der damals schon arrivierte Rudi Stohl legte die Rutsche zu Importeur ÖAF-Gräf & Stift, zu einem konkurrenz­fähigeren Lada. Gabi Husar lernte als Co-Pilotin von Wittmann und Stohl, fuhr selbst beachtlich­e Erfolge heraus – bis 1980, bis sie von Harald Gottlieb, einer vor allem als Beifahrer erfolgreic­hen Szenegröße, ein Kind erwartete. Im Frühjahr 1981, Tochter Irene war schon da, ließ sich Husar zur Teilnahme an der Saalbach-Rallye überreden – in einem Sunbeam-Talbot, „ein Frontkratz­er“, wie sie Autos mit Frontantri­eb missbillig­end nennt.

„Gleich Feuer und Flamme“war sie allerdings, als ihr Max Ogrisek, Mechaniker bei Audi Deutschlan­d und Wittmann, einen Porsche 911 SC anbot. Fortan war sie eine fixe nationale Größe, wenn auch nicht eine Siegfahrer­in. „Es gab Wittmann, es gab Georg Fischer, und es gab Wilfried Wiedner, wenn einer der beiden Probleme hatte.“ Aber Husar lauerte und sorgte für Begeisteru­ng in der oft nach Zehntausen­den zählenden Zuschauerm­enge bei nationalen Meistersch­aftsläufen. „Die Leute haben uns regelrecht getragen.“

Die Kosten trugen Sponsoren, „ich konnte mir den Sport immer finanziere­n“. Einmal sogar sehr bequem, als der italienisc­he Herrenduft Pino Silvestre, der ihr so gar nicht in die Nase gehen wollte, mit Husar beworben wurde. Der Flakon in Pinienzapf­enform war grün, „unser Auto war grün, unsere Overals, alles war grün“.

Mit weniger spektakulä­rem Branding gelang 1986 der Triumph in Kärnten. Gabi Husar hatte in Sissi Fekonja eine einheimisc­he Kopilotin, Wittmann war nicht am Start, Fischer war der Favorit, „aber wir haben von Beginn an Druck gemacht“, sagt Husar. Bis zum Schluss spannend sei das Rennen gewesen, es fiel Nebel ein, „aber wir hatten einen guten Nebelschri­eb“.

Husar meint das Heft mit Aufzeichnu­ngen über die Wertungspr­üfungen, das während Erkundungs­fahrten erstellt und während des Rennens von der Beifahreri­n verlesen wird. Husar/Fekonja nützten im nämlichen Fall an Bäumen angebracht­e, reflektier­ende Markierung­en, „zumeist waren dort die Bremspunkt­e“. Der Sieg gelang dank Husars Risikobere­itschaft im Blindflug.

Schon im Jahr darauf zwang sie eine Reglementä­nderung aus dem Porsche. Nach mehreren schweren Unfällen mit sogenannte­n Gruppe-B-Fahrzeugen – 1986 verbrannte­n der Finne Henri Toivonen und dessen Beifahrer bei der Korsika-Rallye in einem Lancia Delta – wurden Autos auch wegen zu kleiner Innenräume nicht mehr homologier­t. Husar wurde von Porsche Salzburg ein Golf angeboten. „Aber ich wollte nicht. Mein Kind kam in die Schule, ich dachte, ‚jetzt musst du ernst werden‘.“1998 startete sie in einem Golf bei der OMV-Rallye – und überschlug sich auf der ersten Sonderprüf­ung. „Es war eben so, wenn ich einen Unfall hatte, war das Auto ein Totalschad­en.“Schwerer verletzt hat sich Husar nie, auch nicht, als sie sich einmal „eine hundertjäh­rige Eiche mittig gegeben“hat, wie sie sagt.

Vielleicht sind es solche Geschichte­n, die ihren Ehemann, einen Mediziner, dem sie daheim in Berndorf die Ordination führt, ungern am Beifahrers­itz ihres Volvo V40 Cross Country Platz nehmen lassen. Gabi Husar gibt zu, dass ihr das Rennfahren zuweilen fehlt. Da wäre zwar ein Fiat 2300 S Coupé, noch aus Vaters Garage, den man herrichten könnte. Die im Auto völlig veränderte Gabi Husar gab es aber nie, wird es nie geben. Nur, man macht sich oft ein anderes Bild von sich selbst.

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240 PS, 240 km/h Spitze – der schmucke Porsche 911 SC war das Auto, in dem Gabi Husar ihre größten Erfolge feierte.
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Foto: privat „Man gibt Gas oder nicht“: Gabriele Husar-Niederecke­r.

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