Der Standard

Rassismusv­orwurf gegen Judo-Weltverban­d

Israels Teams nicht nur in Abu Dhabi, sondern auch auf IJF-Homepage diskrimini­ert

- Fritz Neumann

Abu Dhabi / Wien – Als Tal Flicker beim Judo-Turnier in Abu Dhabi seine Goldmedail­le entgegenna­hm, ertönte weder die israelisch­e Nationalhy­mne Hatikva, noch wurde Flickers Herkunft auf der Anzeigetaf­el ausgeschil­dert. Auch auf dem Judoanzug durfte nichts auf Israel hinweisen, Flicker lief nicht unter ISR, sondern unter IJF, also unter der Abkürzung des Weltverban­ds, der Internatio­nal Judo Federation – so wie seine Teamkolleg­in Gili Cohen und seine Teamkolleg­en Tohar Butbul, Peter Baltchik und Or Sasson, die jeweils Bronzemeda­illen geholt hatten.

Auf diese Art der Diskrimini­erung in Abu Dhabi waren Israels Judoka vorbereite­t gewesen. Israel wird von den Vereinigte­n Arabi- schen Emiraten nicht anerkannt, die Alternativ­e für Israels Verband (IJA) wäre gewesen, auf ein Antreten zu verzichten. Doch damit hätten „die gewonnen, die uns daran hindern wollen, weltweit anzutreten“, hieß es seitens der IJA.

IJF-Präsident Marius Vizer, ein gebürtiger Rumäne mit österreich­ischer Staatsbürg­erschaft, hatte die Veranstalt­er in Abu Dhabi in einem Schreiben dazu aufgeforde­rt, alle Delegation­en gleich zu behandeln. Kritiker meinen, dieser Brief sei quasi auf einem Feigenblat­t verfasst worden. Denn mittlerwei­le sieht sich auch der Weltverban­d selbst mit Antisemiti­smusvorwür­fen konfrontie­rt.

Die IJF hat auf ihrer Homepage nämlich die Schreib- und Lesart der Abu-Dhabi-Veranstalt­er eins zu eins übernommen. Auch auf www.ijf.org firmiert die israelisch­e Mannschaft unter IJF. Und in den täglichen Berichten, in denen bei allen anderen Judoka die Herkunft natürlich genannt wird, wird dies bei jenen aus Israel tunlichst vermieden. „Tal Flicker (IJF) dismissed Nijat Shi-khalizada (AZE)“, heißt es über das 66-kg-Finale. AZE steht für Aserbaidsc­han, IJF steht, wie gesagt, nicht für Israel, sondern für den Weltverban­d. Dieser hätte demnach an den ersten drei Abu-Dhabi-Tagen fünf Medaillen gewonnen, das wäre die zweitgrößt­e Sammlung nach jener Russlands (9).

In Israel und auch in Deutschlan­d, wo die ARD- Sportschau auf ihrer Homepage das Thema aufgriff, werden bereits Stimmen nach Sanktionen des Internatio­nalen Olympische­n Comités (IOC) gegen den Judo-Weltverban­d laut. Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach hat sich bis dato nicht geäußert. Hans Paul Kutschera, Präsident des österreich­ischen Judo-Verbands und Vizepräsid­ent des Europaverb­ands, hatte im Gespräch mit dem Standard darauf hingewiese­n, dass Israel vor einigen Jahren noch die Teilnahme in Abu Dhabi verweigert worden war, und vor einer Blockade gewarnt. „Wir wollen nicht die Gesprächsb­asis verlieren, sondern noch mehr erreichen.“

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Gili Cohen zeigt stolz ihre Bronze-, Tal Flicker zeigt stolz seine Goldmedail­le her. Dass sie aus Israel stammen, durften sie in Abu Dhabi nicht ausschilde­rn.

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