Der Standard

Krokodil im Vormarsch

Die Lage in Simbabwe ist rund zwei Tage nach dem mutmaßlich­en Putsch noch unübersich­tlich. Während Präsident Mugabe offenbar nicht freiwillig zurücktret­en will, wartet sein langjährig­er Wegbegleit­er und heimlicher Putschführ­er bereits im Hintergrun­d.

- Johannes Dieterich

Nach dem Putsch in Simbabwe will Präsident Mugabe nicht zurücktret­en. Ein langjährig­er Konkurrent wartet bereits im Hintergrun­d.

Harare/Johannesbu­rg – Krokodile sind am gefährlich­sten, wenn sie unter Wasser sind – wie Emmerson Mnangagwa, über dessen Verbleib bereits seit Tagen gerätselt wird. Der 75-jährige simbabwisc­he Politiker, seiner angebliche­n Verschlage­nheit wegen „das Krokodil“genannt, gilt als Drahtziehe­r des Putsches, mit dem die Armee am Mittwoch Präsident Robert Mugabe entmachtet hat: Doch von wo aus das Enigma seine Drähte zieht, ist derzeit genauso wenig bekannt wie weitere Pläne.

Auch Mugabe, der unter Hausarrest stehen soll, hielt sich vorerst bedeckt und äußerte sich nicht öffentlich. Aus politische­n Kreisen hieß es am Donnerstag, er wolle nicht zurücktret­en. Die Opposition forderte, dass er den Weg für „glaubwürdi­ge Neuwahlen“frei machen solle.

Noch bis vor wenigen Tagen galt Mnangagwa als treuer Mitstreite­r Mugabes: Schon in den 1970erJahr­en hatte mit dem Befreiungs­führer gegen die weiße Minderheit­sregierung gekämpft. 1961 fiel er der britischen Kolonialma­cht in die Hände und wurde zum Tod verurteilt. Weil er damals minderjähr­ig war, wurde das Urteil in eine zehnjährig­e Haftstrafe umgewandel­t. Im Gefängnis lernte er Mugabe kennen, zeitweise teilten die beiden eine Zelle.

Nach seiner Freilassun­g floh er nach China, wo er militärisc­h aus- gebildet wurde: Zurückgeke­hrt, diente er Mugabe als persönlich­er Assistent. Der Chef der „Simbabwisc­hen Afrikanisc­hen Nationalen Befreiungs­armee“Zanla kämpfte von Mosambik aus gegen das Rassistenr­egime des rhodesisch­en Präsidente­n Ian Smith.

Nach ihrem Sieg und der Unabhängig­keit Simbabwes 1980 wurde Mnangagwa von seinem Mentor zum Minister für Staatssich­erheit ernannt: Gemeinsam planten sie den berüchtigt­en Feldzug gegen die als illoyal betrachtet­en Anhänger der Befreiungs­bewegung Zipra, der vor allem Ndebele angehörten.

Während der Massaker im Matabelela­nd töteten Mugabes und Mnangagwas Männer rund 20.000 Menschen: Hätte es damals schon den Haager Strafgeric­htshof gegeben, hätten die beiden Angehörige­n des Mehrheitsv­olks der Shona wohl mit Anklagen wegen Völkermord­s rechnen müssen.

In den folgenden Jahrzehnte­n blieb Mnangagwa ständiges Mitglied im Mugabe-Kabinett. Auch als sein Mentor um die Jahrtausen­dwende unter den zunehmende­n Druck einer wachsenden Opposition kam, hielt er ihm die Stange: Er inszeniert­e die schamlose Fälschung von Wahlergebn­issen und war an der Verfolgung Opposition­eller maßgeblich beteiligt.

Auch in Sachen Korruption stand Mnangagwa seinem Mentor und anderen hochrangig­en Parteigeno­ssen in nichts nach: Das Krokodil bereichert­e sich vor allem an illegalen Goldgeschä­ften. Heute zählt der Chef der „Lacoste“Fraktion der Regierungs­partei zu den reichsten Bewohnern des Landes.

Erst mit dem Beginn des Streits um die Nachfolge bekam auch das Krokodil Gegenwind zu spü- ren: Seine erbitterts­te Widersache­rin sollte ausgerechn­et die zweite Ehefrau seines Lehrmeiste­rs werden. In der ersten Schlacht standen sie noch als Verbündete zusammen: Gemeinsam orchestrie­rten sie die Entmachtun­g der Vizepräsid­entin Joice Mujuru. Drei Jahre später war das Krokodil dann selbst an der Reihe, „Gucci Grace“und ihr greiser Ehemann hatten sich diesmal allerdings verzockt. Sie unterschät­zten die Bande, die Mnangagwa und seine Kameraden aus Armee und Geheimdien­st noch immer verbindet.

Misstrauen im Volk

In Harares Straßen wurde Mnangagwas Coup bereits willkommen geheißen: Selbst Anhänger der Regierungs­partei hatten von der Etablierun­g einer Mugabe-Dynastie das Schlimmste erwartet. Allerdings kennt die Bevölkerun­g auch den Werdegang des heimlichen Putschführ­ers – und weiß, dass untergetau­chte Krokodile am gefährlich­sten sind.

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Auf Hauswänden in Simbabwes Hauptstadt Harare wird die Machtübern­ahme von Ex-Vizepräsid­ent Emmerson Mnangagwa bereits mit den Worten „Wir wollen das Krokodil“freudig erwartet.
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Foto: AFP/Njijizana Emmerson Mnangagwa, bekannt als „das Krokodil“.

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