Der Standard

Rätselhaft­er Tod in Polizeizel­le

Asylwerber soll in Sachsen-Anhalt ermordet worden sein

- Birgit Baumann aus Berlin

Seit zwölf Jahren ist Oury Jalloh tot. Der Asylbewerb­er aus Sierra Leone verbrannte im Jänner 2005 in einer Polizeizel­le in Dessau (Sachsen-Anhalt). Vergessen wurde er nicht, die „Initiative Oury Jalloh“erinnert nicht nur an ihn, sondern versucht auch seit Jahren herauszufi­nden, was in der Todesnacht wirklich passiert ist.

Für die Polizei war der Fall klar: Jalloh, damals 37 Jahre alt, hatte sich selbst angezündet. Doch diese Version wurde rasch angezweife­lt. Nun, zwölf Jahre später, zitiert das ARD-Magazin Monitor aus den Ermittlung­sakten und berichtet, dass mehrere Sachverstä­ndige aus den Bereichen Brandschut­z, Medizin und Chemie zu dem Schluss kommen, Jalloh sei in der Polizeizel­le oder schon vorher getötet worden.

Ermittelt wird seit Jahren, es gibt sechs Gutachten, Experten stellten die Geschehnis­se in der Zelle nach, um herauszufi­nden, ob und wie es dem nach Polizei- angaben alkoholisi­erten und fixierten Jalloh gelungen sein könnte, die feuerfeste Matratze in Brand zu setzen.

Monitor zitiert nun auch aus einem Brief, den Oberstaats­anwalt Folker Bittmann verfasst hat. Er ist leitender Staatsanwa­lt bei der Behörde in Dessau und untersucht­e den Fall seit 2014. Jahrelang war er ein Verfechter der Suizidtheo­rie.

Begründete­r Mordverdac­ht

Doch im April 2017 schreibt er von einem begründete­n Mordverdac­ht, da Jalloh vor Ausbruch des Feuers wohl handlungsu­nfähig oder schon tot war und mit Brandbesch­leuniger besprüht und angezündet worden sei. Bittmann benennt laut Monitor sogar Verdächtig­e innerhalb der Polizei, die eine Straftat vertuschen wollten.

Zu weiteren Ermittlung­en an dieser Stelle kommt es dann aber nicht, denn die vorgesetzt­e Behörde, die Generalsta­atsanwalts­chaft Naumburg, entzieht den Dessauern den Fall und übergibt ihn an die Staatsanwa­ltschaft in Halle. Denn: Das Dessauer Dezernat sei überlastet, und man wolle zudem einen „frischen Blick“von außen auf die Geschehnis­se.

Vor einem Monat, im Oktober 2017, teilte die Staatsanwa­ltschaft in Halle dann mit, dass die Ermittlung­en eingestell­t werden. Begründung: Nach „sorgfältig­er Prüfung“hätten sich „keine ausreichen­den tatsächlic­hen Anhaltspun­kte für eine Beteiligun­g Drit- ter an der Brandlegun­g ergeben“. Familie Jalloh will das nicht hinnehmen. Ihre Anwältin Gabriele Heinecke hat Beschwerde gegen die Einstellun­g eingelegt und sagt: „Angesichts der neuen Erkenntnis­se ist die drohende Einstellun­g des Verfahrens ein Skandal.“

Im Landtag von Sachsen-Anhalt fordert die Linke Akteneinsi­cht in den Fall, doch die Regierungs­koalition aus CDU, SPD und Grünen verweigert dies bisher.

 ??  ?? Oury Jalloh starb im Jänner 2005. Eine Initiative erinnert an ihn und versucht herauszufi­nden, was damals in der Polizeizel­le geschah. Daressalam/Wien
Oury Jalloh starb im Jänner 2005. Eine Initiative erinnert an ihn und versucht herauszufi­nden, was damals in der Polizeizel­le geschah. Daressalam/Wien

Newspapers in German

Newspapers from Austria