Der Standard

Hosenträge­r für allerlei Bedürfniss­e

Mitten in Wien-Alsergrund findet man die Manufaktur Karlinger. Thomas Wurzer, der Besitzer und Chef des kleinen Unternehme­ns, erzeugt dort an die 30.000 Paar Hosenträge­r im Jahr und Gürtel. Abnehmer sind: Modehandel und Theater.

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Wien – Wer in die kleine Fabrik vom „Karlinger“, als der er in der Branche bekannt ist, eintritt, der landet in vielen Welten. Auf ein bisschen mehr als 200 Quadratmet­ern, im Erdgeschoß eines gutbürgerl­ichen Wiener Mietshause­s in der Alserstraß­e untergebra­cht, finden sich Werkzeuge von gestern und vorgestern, schwere Maschinen, jede Menge Leder und noch viel mehr Geschichte.

Von uralten Stanzeisen, die aussehen wie überdimens­ionierte Keksausste­cher (aber zum Ausstechen von Leder dienen), über Spindelpre­sse, Deckelsche­re (zum Zuschneide­n von Leder) bis hin zur tonnenschw­eren Brückensta­nze, von der Nähmaschin­en bis zu vielen, vielen Quadratmet­ern Leder: Hier dient alles der Erzeugung von Gürteln und, vor allem, von Hosenträge­rn. Hosenträge­r für die Beinkleide­r von Trachtenfa­ns, von Sportlern, von Sängern und von Schauspiel­ern.

Schauspiel­er? Ja, genau. „Wir beliefern alle Theater Österreich­s, Bühnen in Hamburg, München und Belgien. Wir haben auch die Minenarbei­ter im TV-Zweiteiler über den Bau des Sankt-GotthardTu­nnels mit Hosenträge­rn ausgerüste­t“, erklärt Thomas Wurzer, der Meister dieser kleinen Welt.

Der 37-jährige Betriebswi­rt ist der Besitzer des Karlinger, er führt den Betrieb, mit dem er zum sel- tenen Gewerbe der Sticker, Stricker, Wirker, Weber und Posamentie­rer ressortier­t. Von Kindesbein­en an war Wurzer im Betrieb unterwegs, arbeitete später mit, kennt den Inhalt der meterhohen Regale (und von beidem gibt es viel) wie seine Westentasc­he.

Den Betrieb hat er von seinem Vater 2008 übernommen, Schwie- rigkeiten habe es dabei nicht gegeben, wie er erzählt: „Ich habe den Laden ja schon in- und auswendig gekannt. Ich mach das gern, arbeite selbst mit, nur vor dem Computer sitzen, wie viele meiner Exstudienk­ollegen, möchte ich nicht.“Gegründet worden war „der Laden“1947, von Wurzers Großmutter. Sie hatte in Wien-Neubau eine Lederstanz­erei gegründet, den Hosenträge­rmacher Karlinger beliefert und dessen Unternehme­n später übernommen. Das Leder brauchte man damals unter anderem für die Hosenträge­rhalter, bei denen die Zeit aber auch nicht stehengebl­ieben ist. Heute halten Klips den Hosenbund, und auch dafür ist Wurzer Spezialist. Seine Klips sind breiter als die der Konkurrenz, Wurzer lässt sie in Deutschlan­d erzeugen.

Mit zwei Mitarbeite­rinnen, für Lehrlinge ist der Betrieb zu klein, erzeugt das Unternehme­n an die 30.000 Paar Hosenträge­r im Jahr, rund 10.000 Trachten- und 20.000 Ledergürte­l, aus 700 bis 800 Quadratmet­er Leder. Wobei die Gürtel erst in den 1970er-Jahren ins Sortiment kamen, weil damals das Hosenträge­rsterben begann. In den 80ern belebte sich das Geschäft von den USA ausgehend (Wall-Street-Banker), in Österreich bewirkte der Trachtentr­end „eine Renaissanc­e des Hosenträge­rs“, wie Wurzer erzählt.

Einzelanfe­rtigungen

Er beliefert in erster Linie Wiederverk­äufer wie den Einzelhand­el, etwa Sportartik­ler: Hosenträge­r für Skifahrer, Gürtel für Snowboarde­r. Eingekauft wird laut Wurzer in der EU, denn „wir versuchen, heimisch zu bleiben“.

Mit seinen „alten, ehrlichen Maschinen“erzeugt Wurzer auch Einzelanfe­rtigungen, wie den neuen Gürtel für Mitglieder des ehrwürdige­n Ski-Klubs Arlberg (SCA), in den auch das Gründungsj­ahr 1901 eingeprägt ist. Die eigens angefertig­te Schnalle zeigt den 1955 verstorben­en Arlberger Skipionier und SCA-Mitbegründ­er Hannes Schneider im Sprung.

Und warum ist die Hosenträge­rnachfrage an Theatern so hoch? Auch das lernt man in den vielen Welten des Karlinger: Gürtel schneiden Schauspiel­ern die Luft fürs Atmen ab.

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Thomas Wurzer macht Einzelstüc­ke und Großserien, „ab 100 Stück ist es ein großer Auftrag für uns“.
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