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Philipp M. Krenn über die Oper „Pinocchio“, die an der Volksoper Premiere hat

- Stefan Ender

Wien – Es ist knapp vor neun, der Frühverkeh­r beim Bühnendreh­türl der Volksoper ist überschaub­ar, die Kantine offeriert am Aushang gebackenen Fisch und Germknödel. Als erste Überlegung­en zum Menü keimen, wirbelt auch schon Philipp M. Krenn heran und führt einen fröhlich plaudernd in den Publikumsr­aum.

Erste Frage am leeren Regiepult: Wer ist Pinocchio? Eine literarisc­he Figur, die vor langer Zeit erfunden wurde, um den Kindern Italiens das Lügen zu vergällen? Krenn, der Pierangelo Valtinonis Oper (nach Carlo Collodis Kindergesc­hichte) Sonntag an der Volksoper inszeniert, sieht die Prioritäte­n der Geschichte woanders: „Für mich ist Pinocchio ein Kind, das sehr viel Energie hat und alles ausprobier­en muss. Dabei verbrennt er sich manchmal die Finger. Aber er ist so ein Kind, das auf die Herdplatte greifen muss, um zu begreifen, dass sie heiß ist!“Der Weg Pinocchios Richtung Erwachsenw­erden – und darum gehe es bei dieser Geschichte letzten Endes – sei ein Weg vom Ich zum Wir, von der Selbstbezo­genheit zur Verantwort­ung für etwas Größeres.

Aber man dürfe nicht nur auf die Hauptfigur schauen, so Krenn, interessan­t sei auch Geppetto. „Von ihm heißt es zu Beginn immer nur: Sei brav, mach deinen Papa glücklich. Das funktionie­rt, solange Pinocchio noch eine Marionette ist. Sobald er aber zum Leben erwacht, funktionie­rt er nicht mehr nur so, wie Geppetto es will.“Hier habe er Parallelen zu sich selbst entdeckt, gesteht Krenn. Solange seine Kinder das tun würden, was er ihnen sagt, solange sie sich sozusagen wie Marionette­n verhalten, sei alles gut. Aber sobald ein Kind selbststän­dig würde und einen eigenen Willen entwickle, komme der Erwachsene nicht mehr klar damit.

Es sei seine Absicht gewesen, gemeinsam mit den (mehr als 40) mitwirkend­en Kindern und Jugendlich­en einen eigenen Pinocchio zu machen, so der Regisseur. So hätten sie sich gefragt, warum Pinocchio, der ja nicht blöd sei, auf Fuchs und Kater hineinfall­e. Die Volksopern­erklärung: da die zwei cool sind, da sie skaten, sprayen und Energydrin­ks trinken. Im paradiesis­chen Spielland können die Kinder den ganzen Tag Popcorn futtern und instagramm­en. „Dagegen hat die Fee keine Chance“, so Krenn, „die wird da einfach rausgestam­pert.“

Paolo Madrons Libretto umschließt den bekannten Handlungsg­ang mit einem Prolog und einem Epilog, Krenn hat dies zum Anlass genommen, eine Art Making-of der Oper zu zeigen: Man wird sehen, wie aus einem leeren Raum ein Bühnenraum wird. Man wird die Technik sehen und die Maskenbild­ner: wie die Geschichte, wie Pinocchio gemacht wird.

Krenn war als Kind Solist bei den Sängerknab­en: Ist das nicht das komplette Gegenprogr­amm zu einer Pinocchio-Welt? „Es stimmt schon, der Tagesablau­f war klar strukturie­rt.“Aber er sei in dieser streng reglementi­erten Welt ein kleiner Pinocchio gewesen, gesteht der immer noch Quirlige: „Ich war sehr schwer zu führen, musste oft raus … Gerald Wirth war mein Kapellmeis­ter, und er war damals schon großartig. Er hat den schwierige­n Kindern ihren Pinocchio gelassen, aber er konnte sie auch für die Sache begeistern.“

Abstand von der Musik hat Krenn trotzdem gebraucht: Nach der Matura studierte er an der Technik-Uni. Dann hat es ihn aber doch wieder auf die Bühne gezogen: zuerst zum Schauspiel, dann hat er bei Sven-Eric Bechtolf, Alvis Hermanis, Damiano Michielett­o und Robert Carsen assistiert. Der Anfang seiner Regielaufb­ahn sei holprig gewesen, im Moment ist Krenn aber zufrieden mit dem Lauf der Dinge. Der Wiener hat gerade in Wiesbaden erfolgreic­h Brittens Peter Grimes inszeniert und ist gut gebucht. Natürlich müsse er sich dennoch mit jeder Inszenieru­ng beweisen: „Man muss kämpfen. Es wird einem nichts geschenkt.“

Scherzfrag­e zum Schluss: Waren alle Antworten wahr, oder hat Krenn ab und zu geflunkert? Der Regisseur stutzt, lacht und versichert: alles wahr! Und fasst zur Sicherheit an seine Nase: keine Veränderun­gen feststellb­ar. 19. 11. Volksoper, 18.00

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Foto: Hirsch Inszeniert in Wien: Regisseur Philipp Krenn.

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