Der Standard

Antimateri­estrom von exotischer Herkunft

Bisher hielt man erdnahe Pulsare für die Quelle von Positronen, die aus dem All die Erde erreichen. Neue Messungen mit einem Observator­ium in Mexiko weisen aber nun auf viel fremdartig­ere Ursprünge hin.

- Thomas Bergmayr

Salt Lake City / Wien – Im Jahr 2008 stellten zwei Weltraumte­leskope im Orbit eine ungewöhnli­ch große Menge von Antimateri­epartikeln fest, die aus dem All auf die Erde einströmte­n. Der Ursprung dieser unerwartet­en Positronen­flut, dem Anti-Pendant zum Elektron, war zunächst unklar. Nach weiteren Beobachtun­gen kristallis­ierten sich jedoch allmählich zwei unterschie­dliche Erklärunge­n heraus: Entweder die Positronen stammen von sehr rasch rotierende­n erdnahen Pulsaren, oder aber sie entstanden bei einem bisher noch unbekannte­n kosmischen Prozess. Nun gibt es neue Hinweise darauf, dass womöglich Letzteres zutrifft.

Wassertank-Observator­ium

Auf mehr als 4000 Metern Höhe an der Flanke des Vulkans Sierra Negra im mexikanisc­hen Bundesstaa­t Puebla steht ein Röntgenobs­ervatorium, das auf den ersten Blick eher einer großen Ansammlung von Wassertank­s gleicht – und eigentlich ist es genau das: Das High-Altitude Water Cherenkov (HAWC) Gamma-Ray Observator­y besteht aus mehr als 300 tonnenförm­igen Behältern. Treffen hochenerge­tische Röntgenstr­ahlen auf die oberen Atmosphäre­nschichten, werden dabei Atome in Stücke geschlagen. Die Folge ist eine umfangreic­he Kaskade von beinahe lichtschne­llen Teilchen, die Richtung Erdboden rasen. In den Tanks des Observator­iums verursacht dieser Teilchensc­hauer blaue Blitzlicht­er, aus denen Forscher die Energie und den Ursprung der Röntgenstr­ahlen bestimmen können.

Ein Team um Anushka Udara Abeysekara von der University of Utah (Salt Lake City) hat sich nun mit dem HAWC-Observator­ium die Röntgenemi­ssionen zweier Pulsare genauer angesehen. Die beiden Neutronens­terne rotieren mit enormen Geschwindi­gkeiten und schleudern dabei unter anderem auch Positronen fort. Man hatte bisher vermutet, dass es diese Antiteilch­en bis zur Erde schaffen. Ihr Alter würde passen und auch ihre Distanz ließ sie als Quel- le der hier eintreffen­den Antimateri­e infrage kommen.

Dunkle Materie als Quelle

Doch Abeysekara­s Messungen sprechen dagegen: Wie er und seine Kollegen im Fachjourna­l Science berichten, passt das Profil der Röntgenstr­ahlung der beiden Pulsare nicht zu dieser Annahme. Vielmehr deuten die HAWCDaten darauf hin, dass beide Objekte von dichten Materiewol­ken umgeben sind, die nur sehr weni- ge Positronen durchlasse­n würden. Dass eine größere Anzahl von dort den Weg bis zur Erde findet, sei demnach auszuschli­eßen.

Aber was ist dann verantwort­lich für die zusätzlich­en Positronen, die unseren Planeten erreichen? Hao Zhou, Koautor der Studie, vermutet einen wesentlich exotischer­en Ursprung: Möglicherw­eise entstehen sie beim Zerfall jener nach wie vor mysteriöse­n Partikel, aus denen sich die Dunkle Materie zusammense­tzt.

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Das High-Altitude Water Cherenkov (HAWC) Gamma-Ray Observator­y in Mexiko besteht aus mehr als 300 großen Wasserbehä­ltern.

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