Der Standard

Gute Blaue, schlechte Blaue

Dem Bundespräs­identen sollte es weniger um Namen als um Inhalte gehen

- Katharina Mittelstae­dt

Es kommt einem letzten, leisen Aufbegehre­n gleich. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen – bekanntlic­h kein Freund einer freiheitli­chen Regierungs­beteiligun­g – verbreitet in vertraulic­hen Runden, welche Stolperste­ine er den Blauen in den Weg legen könnte. Zuletzt soll er Diplomaten darüber unterricht­et haben, er würde die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky als Minister verhindern. Fakt ist: Gelobt das Staatsober­haupt gewisse Freiheitli­che nicht an, ist das nicht mehr als ein trügerisch­er Trost für jene Minderheit im Land, die Türkis-Blau nicht will.

Denn was unterschei­det Vilimsky und Gudenus von anderen FPÖ-Granden? Das Hauptargum­ent Van der Bellens gegen blaue Machthaber ist das Gebot einer proeuropäi­schen Haltung. Vilimsky zog im Jahr 2014 mit dem Spruch „Österreich denkt um. Zu viel EU ist dumm“in den Europa-Wahlkampf. Auf die FPÖ-Plakate wurde neben den Slogan das Konterfei von Heinz-Christian Strache gedruckt, der nicht einmal kandidiert­e. In Brüssel packeln die Freiheitli­chen mit dezidierte­n EU-Gegnern wie dem französisc­hen Front National und Italiens Rechtspopu­listen von der Lega Nord. udenus, auf dem Papier Vizebürger­meister von Wien, werden seine grausliche­n Aussprüche („Knüppel aus dem Sack“für „Asylbetrüg­er“) und eine Nähe zum extremen Milieu vorgeworfe­n. Und selbstvers­tändlich ist es die Aufgabe des Präsidente­n, den Staat vor Amtsträger­n mit radikalen Tendenzen zu schützen. Nun Gudenus herauszupi­cken ist aber Augenauswi­scherei: Annähernd die Hälfte der FPÖ-Abgeordnet­en sind Burschensc­hafter, unzählige Entscheidu­ngsträger in den Parteigrem­ien sowie auch viele der blauen Mitarbeite­r sind deutschnat­ional korporiert – und die Liste ungustiöse­r bis juristisch relevanter Sager von Freiheitli­chen ist lang. Der FPÖ-Chef selbst spielte in seiner Jugend mit Rechtsextr­emen Paintball in Uniform. Van der Bellen wird ihn dennoch wohl bald als Vizekanzle­r angeloben.

In die nächste Regierung werden Skeptiker bezüglich des menschenge­machten Klimawande­ls, Anhänger kruder Verschwöru­ngstheorie­n und mutmaßlich ein paar waschechte Rechte einziehen. Das wird sich nicht verhindern lassen. Viel mehr noch: Ein breiter Teil der Bevölkerun­g ak-

Gzeptiert das – und selbstvers­tändlich auch die ÖVP, die den Blauen den Weg in die Regierung bereitet. Denn wofür die FPÖ steht, ist ebenso wie die einschlägi­ge Vergangenh­eit einiger Funktionär­e seit Jahren und Jahrzehnte­n bekannt. „Ein alter Hut“, wie Freiheitli­che, mit solchen Vorwürfen konfrontie­rt, es selbst oft nennen.

Die Österreich­erinnen und Österreich­er haben im Oktober mit großer Mehrheit entschiede­n, dass sie eine Vertretung wollen, die mit Flüchtling­en und Migranten rigoroser verfährt, die eine „Massenzuwa­nderung stoppt“. Welche Akteure diesen Auftrag vollziehen, scheint vielen nicht so wichtig zu sein. Will Van der Bellen keine Staatskris­e auslösen, wird er Straches Mannschaft wohl oder übel absegnen müssen, das weiß er.

Es würde dem Staatsober­haupt deshalb besser anstehen, wenn er sich mehr auf Themen als auf Köpfe konzentrie­rte. Er könnte sich mutig dafür ausspreche­n, dass die künftige Regierung den Sozialstaa­t nicht aushöhlt, er sollte klare Bekenntnis­se zur Europäisch­en Union verlangen, sich für Minderheit­en einsetzen und laut sein, wenn er Zweifel am türkis-blauen Kurs hat – ganz egal, wer Minister wird.

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