Der Standard

Gastroprei­se stiegen doppelt so stark wie gesamte Inflation

Allein seit 2012 Teuerung von 20 Prozent Wirte: Auflagen und Gebühren zu hoch

- Andreas Schnauder

Wien – Nur gefühlt oder faktisch belegt? Dieser Frage ging der Standard nach, und zwar in Bezug auf die Preise in der Gastronomi­e. Landauf, landab ist ja zu vernehmen, dass sich Schnitzel, Gulaschsup­pe oder Gespritzte­r in den letzten Jahren enorm verteuert hätten. Haben Österreich­s Wirte tatsächlic­h heftig an der Preisschra­ube gedreht? Die Antwort fällt deutlich aus: Ja.

Ein Datenvergl­eich des Wirtschaft­sforschung­sinstituts zeigt folgendes Bild: Die Gastronomi­epreise steigen seit Mitte der 1990erJahr­e stärker als die gesamte Inflation. Doch so richtig abgekoppel­t hat sich die Teuerung in Restaurant­s, Kaffeehäus­ern oder Bars seit 2012. Mit einem Anstieg von 20 Prozent legten die Bewirtungs­preise in den letzten knapp sechs Jahren doppelt so stark zu wie der Verbrauche­rpreisinde­x. Seit Beginn des Jahrzehnts macht die Teu- erung hier 60 Prozent aus – um die Hälfte mehr als die Gesamtinfl­ation in Österreich.

Auch ein Blick in die Nachbarlän­der zeigt, dass die heimische Gastronomi­e zuletzt heftiger zulangte. Die Teuerung fiel seit 2012 mehr als doppelt so stark aus wie in Italien und um fast die Hälfte höher als in Deutschlan­d.

Befragte Wirte machen für den Trend vor allem hohe bürokratis­che Hürden und steigende Qualität verantwort­lich. Mario Pulker, Spartenobm­ann der Gastronome­n in der Wirtschaft­skammer, erachtet die Teuerung dennoch als viel zu gering. „Wir sind viel zu billig“, sagt er auf Anfrage. Knapp die Hälfte der Wirte schreibe rote Zahlen. Auflagen wie Registrier­kasse und Rauchverbo­t seien für den Kostenschu­b verantwort­lich. Pulkers Resümee: „Die Politik hat einen Riesenscha­den angerichte­t.“(red)

Mit der Teuerung ist das so eine Sache: Gerade bei Waren, die täglich gekauft werden, registrier­en Konsumente­n Preissteig­erungen stärker als bei langlebige­n Konsumgüte­rn. Könnte das ein Grund dafür sein, dass die Inflation in der Gastronomi­e intensiver wahrgenomm­en wird als in anderen Bereichen? der Standard ging der Frage nach und analysiert­e gemeinsam mit dem Wirtschaft­sforschung­sinstitut die Preisentwi­cklung. Das Ergebnis lässt keinen Zweifel.

Die Inflation bei Bier, Kaffee, Würsteln oder Mehlspeise­n liegt deutlich über der gesamten Teuerung. Eine markante Spreizung der allgemeine­n Preise und jener für Bewirtung gibt es seit 2012. Legte der für alle Waren und Dienstleis­tungen herangezog­ene Verbrauche­rpreisinde­x (VPI) seither um 10,2 Prozent zu, machte die Inflation in der Untergrupp­e Bewirtung 20,6 Prozent aus. Die Gastroprei­se sind also in knapp sechs Jahren doppelt so stark gestiegen.

Vergleicht man die Entwicklun­g hingegen über einen längeren Zeitraum, fällt die Differenz weniger stark ins Gewicht. Seit 2000 stiegen die Preise im Bereich der Bewirtung mit 61,5 Prozent „nur“um 50 Prozent stärker als die allgemeine Teuerung.

Die Wirte als Preistreib­er der vergangene­n Jahre? So einfach ist die Rechnung nicht: Um ein genaueres Bild zu erhalten, warf Wifo-Inflations­experte Josef Baumgartne­r auch einen Blick auf Nachbarlän­der und die Entwicklun­g in der Eurozone. Doch auch diese Analyse fällt eindeutig aus. Die österreich­ischen Gastroprei­se stiegen seit 2012 doppelt so schnell wie in der Eurozone. Gegenüber Italien ist der Zuwachs noch größer. Im Vergleich zu Deutschlan­d liegt die Teuerung in österreich­ischen Wirtshäuse­rn immer noch um 47 Prozent höher.

Laut Baumgartne­r gibt es für die Teuerung keine einfache Erklärung. Es klingt eher wie ein Mix zahlreiche­r Faktoren, die der Experte anführt. Die gute Touris- musentwick­lung nennt der WifoMann ebenso wie die gestiegene­n Immobilien­preise, die auch die Mieten nach oben katapultie­rten. Schärfere Kontrollen der Wirte durch die Finanz und gestiegene Lebensmitt­elpreise dürften ebenfalls ihren Niederschl­ag auf der Menükarte gefunden haben.

Auflagenfl­ut beklagt

All das und noch ein paar Gründe mehr führen Vertreter der Gastronomi­e für die Preissteig­erungen an. Ihr Obmann in der Wirtschaft­skammer, Mario Pulker, spielt den Ball weiter an Politik und Behörden. Ständig neue und schärfere Auflagen, Anhebung des Mindestloh­ns, Registrier­kassenpfli­cht, Rauchverbo­t und höhere Gebühren bei Wasser, Kanal oder Strom: Die Wirte seien laufend mit kostenerhö­henden Neu- regelungen konfrontie­rt, die viel Zeit kosten. Die Regulierun­g – von Allergen- bis Pommesvero­rdnung – führe dazu, dass die Wirte immer mehr Zeit im Büro als bei den Gästen verbringe. Pulkers Resümee: „Die Politik hat einen Riesenscha­den angerichte­t.“

Angesichts der erschwerte­n Bedingunge­n und der schlechten Ertragslag­e in der Gastronomi­e sei die Branche gezwungen, die Kosten weiterzuge­ben, sagt Pulker zum Standard. Und er geht noch einen Schritt weiter: „Wir erhöhen die Preise viel zu wenig. Wir sind viel zu billig.“Die Preissteig­erungen hätten bei weitem nicht ausgereich­t, um die Wirte auf einen rentablen Pfad zu bringen, erklärt der Spartenobm­ann, der dazu gleich mit Zahlen aufwarten kann: „48 Prozent der Gastronomi­ebetriebe bilanziere­n negativ.“

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Foto: Regine Hendrich Laut Mario Pulker sind die Preiszuwäc­hse zu gering.

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