Gastropreise stiegen doppelt so stark wie gesamte Inflation
Allein seit 2012 Teuerung von 20 Prozent Wirte: Auflagen und Gebühren zu hoch
Wien – Nur gefühlt oder faktisch belegt? Dieser Frage ging der Standard nach, und zwar in Bezug auf die Preise in der Gastronomie. Landauf, landab ist ja zu vernehmen, dass sich Schnitzel, Gulaschsuppe oder Gespritzter in den letzten Jahren enorm verteuert hätten. Haben Österreichs Wirte tatsächlich heftig an der Preisschraube gedreht? Die Antwort fällt deutlich aus: Ja.
Ein Datenvergleich des Wirtschaftsforschungsinstituts zeigt folgendes Bild: Die Gastronomiepreise steigen seit Mitte der 1990erJahre stärker als die gesamte Inflation. Doch so richtig abgekoppelt hat sich die Teuerung in Restaurants, Kaffeehäusern oder Bars seit 2012. Mit einem Anstieg von 20 Prozent legten die Bewirtungspreise in den letzten knapp sechs Jahren doppelt so stark zu wie der Verbraucherpreisindex. Seit Beginn des Jahrzehnts macht die Teu- erung hier 60 Prozent aus – um die Hälfte mehr als die Gesamtinflation in Österreich.
Auch ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass die heimische Gastronomie zuletzt heftiger zulangte. Die Teuerung fiel seit 2012 mehr als doppelt so stark aus wie in Italien und um fast die Hälfte höher als in Deutschland.
Befragte Wirte machen für den Trend vor allem hohe bürokratische Hürden und steigende Qualität verantwortlich. Mario Pulker, Spartenobmann der Gastronomen in der Wirtschaftskammer, erachtet die Teuerung dennoch als viel zu gering. „Wir sind viel zu billig“, sagt er auf Anfrage. Knapp die Hälfte der Wirte schreibe rote Zahlen. Auflagen wie Registrierkasse und Rauchverbot seien für den Kostenschub verantwortlich. Pulkers Resümee: „Die Politik hat einen Riesenschaden angerichtet.“(red)
Mit der Teuerung ist das so eine Sache: Gerade bei Waren, die täglich gekauft werden, registrieren Konsumenten Preissteigerungen stärker als bei langlebigen Konsumgütern. Könnte das ein Grund dafür sein, dass die Inflation in der Gastronomie intensiver wahrgenommen wird als in anderen Bereichen? der Standard ging der Frage nach und analysierte gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut die Preisentwicklung. Das Ergebnis lässt keinen Zweifel.
Die Inflation bei Bier, Kaffee, Würsteln oder Mehlspeisen liegt deutlich über der gesamten Teuerung. Eine markante Spreizung der allgemeinen Preise und jener für Bewirtung gibt es seit 2012. Legte der für alle Waren und Dienstleistungen herangezogene Verbraucherpreisindex (VPI) seither um 10,2 Prozent zu, machte die Inflation in der Untergruppe Bewirtung 20,6 Prozent aus. Die Gastropreise sind also in knapp sechs Jahren doppelt so stark gestiegen.
Vergleicht man die Entwicklung hingegen über einen längeren Zeitraum, fällt die Differenz weniger stark ins Gewicht. Seit 2000 stiegen die Preise im Bereich der Bewirtung mit 61,5 Prozent „nur“um 50 Prozent stärker als die allgemeine Teuerung.
Die Wirte als Preistreiber der vergangenen Jahre? So einfach ist die Rechnung nicht: Um ein genaueres Bild zu erhalten, warf Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner auch einen Blick auf Nachbarländer und die Entwicklung in der Eurozone. Doch auch diese Analyse fällt eindeutig aus. Die österreichischen Gastropreise stiegen seit 2012 doppelt so schnell wie in der Eurozone. Gegenüber Italien ist der Zuwachs noch größer. Im Vergleich zu Deutschland liegt die Teuerung in österreichischen Wirtshäusern immer noch um 47 Prozent höher.
Laut Baumgartner gibt es für die Teuerung keine einfache Erklärung. Es klingt eher wie ein Mix zahlreicher Faktoren, die der Experte anführt. Die gute Touris- musentwicklung nennt der WifoMann ebenso wie die gestiegenen Immobilienpreise, die auch die Mieten nach oben katapultierten. Schärfere Kontrollen der Wirte durch die Finanz und gestiegene Lebensmittelpreise dürften ebenfalls ihren Niederschlag auf der Menükarte gefunden haben.
Auflagenflut beklagt
All das und noch ein paar Gründe mehr führen Vertreter der Gastronomie für die Preissteigerungen an. Ihr Obmann in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, spielt den Ball weiter an Politik und Behörden. Ständig neue und schärfere Auflagen, Anhebung des Mindestlohns, Registrierkassenpflicht, Rauchverbot und höhere Gebühren bei Wasser, Kanal oder Strom: Die Wirte seien laufend mit kostenerhöhenden Neu- regelungen konfrontiert, die viel Zeit kosten. Die Regulierung – von Allergen- bis Pommesverordnung – führe dazu, dass die Wirte immer mehr Zeit im Büro als bei den Gästen verbringe. Pulkers Resümee: „Die Politik hat einen Riesenschaden angerichtet.“
Angesichts der erschwerten Bedingungen und der schlechten Ertragslage in der Gastronomie sei die Branche gezwungen, die Kosten weiterzugeben, sagt Pulker zum Standard. Und er geht noch einen Schritt weiter: „Wir erhöhen die Preise viel zu wenig. Wir sind viel zu billig.“Die Preissteigerungen hätten bei weitem nicht ausgereicht, um die Wirte auf einen rentablen Pfad zu bringen, erklärt der Spartenobmann, der dazu gleich mit Zahlen aufwarten kann: „48 Prozent der Gastronomiebetriebe bilanzieren negativ.“