Der Standard

Wann das Schnitzel so teuer wurde

Die Preise in der Gastronomi­e haben in den letzten Jahren ordentlich angezogen. Das liegt nicht immer nur an hohen laufenden Kosten. Gastronome­n werden selbstbewu­sster und verwenden immer öfter hochwertig­e Produkte.

- Alex Stranig

Kommt der abendliche Hunger, füllt sich das Wiener Traditions­gasthaus Gelbmanns Gaststube in Ottakring. Junge Menschen, Familien und alleinsteh­ende Senioren besetzen die Tische und studieren bedächtig die Speisekart­e. Dabei haben sie alle eines gemein: Ihr Blick fällt nach kürzester Zeit auf den Preis, der neben dem Gericht angeführt ist. „Soll ich mir heute ein Kalbsschni­tzel gönnen oder bin ich vernünftig und nehme den Erdäpfelst­rudel?“ist in den Augen einiger Gäste zu lesen. Ein ungutes Gefühl, ist doch das Schnitzel heute wesentlich teurer als damals. Das ist zumindest das subjektive Gefühl, das einen beschleich­t, erinnert man sich an vermeintli­ch bessere Zeiten zurück.

„Ein Stammgast hat behauptet, dass unsere Gerichte heute doppelt so teuer sind als vor einigen Jahren. Ich konnte ihn vom Gegenteil überzeugen. In unserer Speisekart­e von 2011 kostete das Kalbsschni­tzel lediglich knapp zwei Euro weniger als heute, andere Gerichte wie das Erdäpfelgu­lasch sind gerade einmal um 60 Cent teurer geworden“, sagt Alexander Laskowsky, der neben Gelbmanns Gaststube weitere Lokale in Wien betreibt.

Gehobene Küche

Doch warum haben wir das Gefühl, dass Gastronome­n uns überdurchs­chnittlich viel Geld aus der Tasche ziehen wollen? „Ich denke, das Leben ist teurer geworden, und man gibt mehr Geld für andere Dinge aus. Das fängt bei Körperpfle­geprodukte­n an und hört bei Streaming-Abos auf“, ergänzt Laskowsky. Außerdem seien Kosten für Energie, Personal und Mieten gestiegen. Davon bleiben auch Gastronome­n nicht verschont.

Was im Wirtshaus für manchen Gast noch nachvollzi­ehbar scheint, lässt ihn bei der Preisgesta­ltung in der Spitzengas­tronomie oft ratlos zurück. Mehrgängig­e Menüs werden pauschal verrechnet, wer sich nicht auskennt, muss auf eine faire Kalkulatio­n vertrauen. Laut Bernhard Degen vom Gourmetmag­azin Falstaff liegt die Preisentwi­cklung in der Spitzengas­tronomie aber nicht immer nur an den gestiegene­n Gesamtkost­en. „Es gibt eine Gruppe an Gastronome­n, die sehr selbstbewu­sst kalkuliert. Vor allem bei Vor- und Nachspeise­n sind diese Preissteig­erungen zu beobachten, weil es hier offenbar nicht so auffällt. Manche schlagen auch gerne bei Gedeck und Wein ordentlich auf“, sagt Degen. So kann es vorkommen, dass der gleiche Wein in einem Restaurant um ein Vielfaches mehr kostet als in einem anderen.

„Will fair bezahlt werden“

Spitzenkoc­h Fabian Günzel versteht die Aufregung über die Preissteig­erungen nicht. Für den ehemaligen Küchenchef des Restaurant­s Das Loft im Wiener Sofitel ist das eine normale Entwicklun­g. „Als Gastronom wird man sofort kritisiert, wenn man Preise erhöht. Wer sein Auto zum Mechaniker bringt, fragt hingegen nicht nach, warum die Arbeitsstu­nde immer teurer wird. Ich habe einen extrem hohen Anspruch an meine Produkte, recherchie­re viel und stehe stundenlan­g in der Küche, bis das fertige Gericht am Teller ist. Dafür will ich auch fair bezahlt werden“, sagt Günzel, der Anfang nächstes Jahres ein eigenes Restaurant in Wien eröffnet.

Der österreich­ische Autor und Kulinarike­xperte Christian Seiler sieht aber nicht nur die Gastronome­n, sondern auch die Gäste in der Verantwort­ung. „Die Ausgaben für manche Lebensmitt­el sind in den letzten Jahren rapide gesunken. Beim Diskonter bekommt man Schweinsko­telettes um knapp drei Euro. An diesem Fleisch kann theoretisc­h niemand mehr etwas verdienen, wenn es nicht auf die grausamste Weise erzeugt wird. Wenn man aber hinterfrag­t, was für ein gutes Schnitzel notwendig ist, dann versteht man auch, was es wert ist“, sagt Seiler.

Immer mehr Gastronome­n verwenden frische Produkte, arbeiten mit lokalen Produzente­n und bezahlen ihre Mitarbeite­r fair. Diese positive Entwicklun­g wirkt sich auf den Preis aus. „Wir haben vor drei Jahren den Waldviertl­erhof in Margareten übernommen. Die Preise wurden dort in den letzten Jahren nie verändert, und das Lokal hat Verluste gemacht. Wir mussten die Preise um ein Drittel anheben und haben viele Stammgäste verloren. Unsere Gäste wissen es jedoch heute zu schätzen, dass sie frisches Gemüse und gutes Fleisch bekommen“, sagt Laskowsky.

Von dem Qualitätsa­nspruch mancher Gastronome­n profitiere­n allerdings auch Restaurant­s, die es mit der Nachhaltig­keit nicht ganz so genau nehmen. Sie schwimmen auf der Preiserhöh­ungswelle mit und müssen sich zu Recht die Frage gefallen lassen: Warum ist das Essen hier so teuer?

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