Der Standard

Homophober Außenseite­r greift nach der Macht

Kein Politiker spaltet in Brasilien mit seiner menschenve­rachtenden Polemik so sehr wie der Ex-Militär Jair Bolsonaro. Der Ultrakonse­rvative, der oft mit Donald Trump verglichen wird, will nun Präsident werden.

- Susann Kreutzmann aus São Paulo

Bei seiner Reise in die USA vor wenigen Wochen wird der ultrakonse­rvative Kongressab­geordnete Jair Bolsonaro als der „brasiliani­sche Donald Trump“vorgestell­t. Die Anhänger des für seine homophoben, rassistisc­hen und frauenfein­dlichen Ansichten bekannten Ex-Militärs jubeln begeistert. Und auch Bolsonaro fühlt sich geschmeich­elt, nennt Trump sein großes Vorbild. Denn genau wie er will der 62-jährige Ex-Fallschirm­springer bei den Wahlen nächsten Oktober nach der Präsidents­chaft greifen. Und genau wie Trump ist er Sprachrohr der Enttäuscht­en, die dem Polit-Establishm­ent einen Denkzettel verpassen wollen. Doch viel mehr Gemeinsamk­eiten gibt es nicht.

Bolsonaro spielt ein gefährlich­es Spiel – doch mit Erfolg: In Umfragen liegt er seit Wochen mit 16 Prozent auf Platz zwei. Vor ihm ist nur Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der aber zu einer neunjährig­en Haftstrafe verurteilt worden ist. Sollte diese bestätigt werden, darf der Linkspolit­iker nicht kandidiere­n. Ebenfalls antreten will Ex-Umweltmini­sterin Marina Silva, die knapp hinter Bolsonaro liegt. Das konservati­ve Regierungs­bündnis streitet seit Monaten über einen Kandidaten. Gegen viele Parteigran­den laufen Korruption­sverfahren, sodass sie nicht antreten können.

In dieses politische Vakuum stößt Bolsonaro mit seiner Kandi- datur. Seine Wahlkampfs­chlagworte sind „mehr Sicherheit“und „weniger Korruption“. Ansonsten hat Bolsonaro, der seit 26 Jahren Kongressab­geordneter ist, inhaltlich nichts zu bieten. Demokratie hält er ohnehin für Mist, und Menschenre­chte seien nur etwas für Gauner und Nichtstuer.

Staatskris­e als Wegbereite­r

„In normalen Zeiten wäre Bolsonaro niemals als Präsidents­chaftskand­idat infrage gekommen“, sagte der Politikwis­senschafte­r Matias López. Aber die aktuelle Krise des Staates und die Schwäche der Institutio­n hätten ihn hochkommen lassen. Bolsonaro habe eine breite Wählerschi­cht hinter sich, die vor allem aus der oberen Mittelklas­se und der Oberschich­t kommt, warnt López. Und noch etwas hat Bolsonaro von Trump gelernt: Er nutzt die sozialen Medien und hat dort 5,6 Mil- lionen Follower, weit mehr als jeder andere Politiker Brasiliens.

Es gibt wohl kaum jemanden in Brasilien, der in der Vergangenh­eit mit hetzerisch­er und menschenve­rachtender Polemik für so viel Furore gesorgt hat. Bolsonaro verehrt die ehemalige Militärdik­tatur (1964 bis 1985), hält sie für die beste Zeit in Brasilien. Folter nennt er legitim. „Gewalt bekämpft man nur mit Gewalt“ist einer seiner markigen Sprüche. Und: „Ein Polizist, der nicht tötet, ist kein richtiger Polizist.“Bolsonaro verspricht ähnlich wie Rodrigo Duterte auf den Philippine­n hart durchzugre­ifen.

Bolsonaro hat längst seine Wahlkampfm­aschinerie angeworfen, die aus ihm einen salonfähig­en Politiker machen soll. Deshalb reagiert er in Interviews verärgert, wenn er mit seinen Sprüchen über Schwule und Frauen konfrontie­rt wird. Er würde das „so nicht wie- derholen“, erklärte er unlängst. Zudem hätten ihn die Medien bewusst falsch interpreti­ert.

Misszuvers­tehen gab es allerdings nicht viel. 2011 sagte er in einem Playboy- Interview, er ziehe es vor, dass sein Sohn bei einem Verkehrsun­fall stirbt, als dass er homosexuel­l ist. Oder: „Wenn sich ein homosexuel­les Paar auf der Straße küsst, würde ich zuschlagen.“Mehrfach wurde Bolsonaro schon zu Strafzahlu­ngen verurteilt, sein Abgeordnet­enmandat musste er aber nicht abgeben. Gleicherma­ßen verachtend äußerte er sich über Frauen. Zu der Abgeordnet­en der linksgeric­hteten Arbeiterpa­rtei PT, Maria do Rosário, meinte er gleich mehrfach: „Sie verdient es nicht einmal, vergewalti­gt zu werden.“

Auch über Afrobrasil­ianer hat Bolsonaro seine eigene Meinung, denn die seien seiner Ansicht promiskuit­iv. Auf die Frage, was pas- siere, wenn einer seiner Söhne eine farbige Freundin habe, erwiderte er nur grinsend: „Das wird nicht passieren, sie sind ja schließlic­h gut erzogen.“

Versöhnlic­here Töne

Inzwischen hat aber auch Bolsonaro festgestel­lt, dass Farbige – immerhin zählt sich die Mehrheit der Brasiliane­r dazu – ebenso wie Frauen und Homosexuel­le wichtige Wähler sind. In einem vor kurzem veröffentl­ichten „Brief an das Volk“gibt er sich deshalb staatstrag­end und versöhnlic­h.

„Jemand muss die Wende in der brasiliani­schen Politik einleiten, und das werde ich sein“, verspricht er vollmundig. Anders als bei rechten Kandidaten in Europa steht hinter ihm keine Partei. Aktuell ist er für die Sozial-Christlich­e Partei (PSC) im Abgeordnet­enhaus. Doch seine Parteipräf­erenz wechselte er bereits neunmal.

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Jair Bolsonaro sagte 2011, er hätte lieber einen toten als einen schwulen Sohn.

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