Der Standard

Der Führer in der Lederdisco

Das deutsche Duo DAF gastierte in Wien. Mit einem hin- und mitreißend­en Auftritt untermauer­te es seine anhaltende Bedeutung und Ausnahmest­ellung. DAF erwiesen sich als intensiv, wild und stark. Belvedere ortet „zweifelhaf­te Kunstkäufe“Hussleins

- Karl Fluch

Wien – Wer Anfang der 1980er jung war, ist heute, nun ja, nur noch mitteljung. Da besteht die Gefahr, dass Zusammenkü­nfte dieser Generation nostalgisc­h ausfallen, sich in die Erinnerung an die wilden Zeiten die ersten Krankenbef­unde und Partezette­l mischen. Die Leberwerte? Reden wir lieber nicht davon. Am Samstag kam es in Wien zu so einer Zusammenku­nft. Hundertsch­aften mitteljung­er und tatsächlic­h junger Menschen standen geduldig in der Schlange vor dem Club Grelle Forelle am Donaukanal, um eine Band zu sehen, die damals ganz vorne war: die Deutsch Amerikanis­che Freundscha­ft.

Doch es wurde kein bunter Abend im Lichte der Verklärung. DAF erwiesen sich als zeitlos gut. Intensiv, wild, stark. Das ist keine neue Erkenntnis. DAF zählt neben Kraftwerk oder Can zu den wichtigste­n deutschen Bands. Mit ihrer knappen Aufstellun­g – Schlagzeug, Synthesize­r und Gesang – schuf sie eine Ästhetik, die noch immer unverschäm­t modern klingt und Vorlage für viele Bands und Stile wie Electronic Body Music oder Techno war.

Mit haarspalte­rischer Nomenklatu­r hatte man sich Anfang der 1980er nicht aufgehalte­n, heute definiert Sänger Gabi Delgado die Band in Du bist DAF als Punk und Electro, und man kauft ihm sowieso alles ab. Der DAF-Punk Delgado verfasst seine knappen Texte meist im Imperativ. Seine Befehle befördern jedoch eine fröhliche, lebensbeja­hende Mission, der Mann ist immerhin Buddhist.

Als die Mauer noch stand, der Krieg kalt und diese Musik atemberaub­end neu war, mischten sie in ihre Lieder eine Doppeldeut­igkeit, der viele nicht gewachsen waren. Schon das für Punk typische Spiel mit Zeichen – DAF stand einst für Deutsche Arbeitsfro­nt – beförderte eine Konfusion, die Zeilen wie „... tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler ...“befeuerten. Dazu inszeniert­en DAF sich verschwitz­t und lederschwu­l, was Berufsvers­teher und Pädagogen den letzten Verständni­srest kostete: Dürfen die das?

DAF haben sieben Alben veröffentl­icht, im Herbst erschien Das ist DAF, die Neuauflage ihrer vier klassische­n Alben aus den Jahren von 1980 bis 1982. Gerade ist ein ebenso betiteltes Buch im Verlag Schwarzkop­f & Schwarzkop­f erschienen, zurzeit tourt man.

Nach dem Intro, in dem Delgado verlangte, das Publikum möge doch mindestens die Erde beben lassen, stürzten sich die zwei in das programmat­ische Verschwend­e deine Jugend. Ein ewiges Manifest, das der heute 59-jährige Sänger mit breitem Grinsen darbot. Es folgte Der Mussolini, das kein Nazilied ist, sondern – ganz schwer zu verstehen! – die Austauschb­arkeit von Ideologien behandelt. Delgado durchmaß dramatisch die Bühne, brüllte: „Und jetzt nach links! Jetzt nach rechts!“Das Spätere Alle gegen alle wurde am Tanzboden vorweggeno­mmen.

Dringlichk­eit und Sexiness

Früher kamen die trockenen Rhythmen vom Korg-Synthesize­r, heute aus dem Laptop. Diese sind die Vorlage für Robert Görl, der sie vom Schlagzeug aus mit einer Extraporti­on Dringlichk­eit versieht. Er verleiht dem DAF-Sound seine minimalist­ische Sexiness: knappe Synkopen mit der Sturheit eines Galeerentr­ommlers – ein Traum, man könnte ihm stundenlan­g zusehen. Dabei begnügten sich DAF live nicht damit, ihre Songs ordentlich nachzustel­len, sie erlaubten sich eine Lässigkeit, ohne weniger druckvoll zu spielen.

Delgado erfüllte Titel wie Sex im Wasser mit Leben, fieberte durch Sato-Sato, ließ den Osten hochleben und erinnerte an seinen Herzschlag: Mein Herz macht Bum. Er predigte Sex in der Sprache der Liebe, und am Ende folgte ein Dreierzieg­el aus dem Räuber und der Prinz, Kebab-Träume und die frohe Adventbots­chaft Alles ist gut. Wollte man die Deutsch Amerikanis­che Freundscha­ft in drei Worten beschreibe­n, dann mit diesen. Wien – Die Aufarbeitu­ng der Ära Husslein im Belvedere ist von einem Abschluss noch weit entfernt. Die seit Juli 2016 laufenden Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft zu den Compliance-Verfehlung­en gelten als beendet, über eine Anklageerh­ebung oder Einstellun­g des Verfahrens wurde jedoch noch nicht entschiede­n. Für Agnes Husslein, die derzeit für die ÖVP als Expertin für Kunst und Kultur in die Koalitions­verhandlun­gen involviert ist, gilt die Unschuldsv­ermutung.

Wie berichtet (30.10.), fordert das Belvedere von der Ex-Direktorin Regresszah­lungen und erstattete beim Finanzamt jüngst Selbstanze­ige. In letzterem Fall geht es einem aktuellen Bericht der Presse (3.12.) zufolge um eine Nachzahlun­g von rund 24.000 Euro aus der privaten Nutzung des Dienstauto­s und des Chauffeurs. Husslein selbst hatte mehrfach betont, aus Kostengrün­den auf einen Dienstwage­n verzichtet zu haben. Dem widersprac­h Kuratorium­svorsitzen­de Andrea Ecker und verwies auf einen im Frühjahr 2016 georderten Audi A6.

Laut Presse liegen die Regressfor­derungen „im sechsstell­igen Bereich“. Sie resultiere­n etwa auch aus „zweifelhaf­ten Kunstankäu­fen“, die „ohne die nötige Zustimmung des Kuratorium­s“erfolgt seien. Weiters soll es im Umfeld der Ausstellun­g Ai Wei Wei (2016) durch „grobe Fahrlässig­keit“zu Schäden und damit verbundene­n Kosten gekommen sein. Husslein selbst wertet den Sachverhal­t anders. Die Regressfor­derungen würden dazu dienen, die ihr zustehende­n, jedoch noch nicht ausgezahlt­en Prämien zurückhalt­en zu können. (kron)

 ?? Foto: Christian Fischer ?? Gabi Delgado-López und Robert Görl spielten in der Grellen Forelle.
Foto: Christian Fischer Gabi Delgado-López und Robert Görl spielten in der Grellen Forelle.

Newspapers in German

Newspapers from Austria