Der Standard

Keiner redet drein

- Margarete Affenzelle­r

Frag nicht, was dein Staat für dich tun kann, sondern frag lieber, was du für deinen Staat tun kannst, lautete einst der markige Sager von US-Präsident John F. Kennedy. Und manchmal ist es wirklich besser, nicht auf den Staat zu warten, sondern sein Ding zu machen.

Zum Beispiel in Brixen. Dort hat eine Gruppe ehemaliger Entwicklun­gshelfer vor zehn Jahren ein karitative­s Projekt gestartet, das aus der Bahn geworfenen Menschen eine sichere Bleibe ist. Das Haus der Solidaritä­t heißt auch Andreas Pichlers Film, der sich diesem Gemeinscha­ftsunterne­hmen widmet und der am Sonntag in der dok-Filmreihe des ORF zu sehen war.

Dass das Zusammenle­ben von Menschen unterschie­dlicher Nationen und mit unterschie­dlich schweren Lebensbürd­en (ehemalige Suchtkrank­e, Menschen mit Flucht- oder Gewalt- erfahrung, Obdachlose etc.) zum Haareraufe­n ist, steht der Hausleitun­g ins Gesicht geschriebe­n. Noch dazu, wo derzeit ein Umzug vor der Tür steht. Man braucht eine dicke Haut und Unmengen von Menschenli­ebe, um mit dem Unbedankts­ein zurechtzuk­ommen. Die Neuankömml­inge erwarten schließlic­h immer Wunder, die nicht geliefert werden können.

Die Gesichter der Betreiber offenbaren aber auch noch etwas anderes. Aus der schonungsl­os eingeräumt­en Müdigkeit spricht auch Stolz. Denn entscheide­nd ist, dass das Haus seit Anbeginn ohne öffentlich­e Gelder arbeitet. Keiner der vier Angestellt­en muss ein dem öffentlich­en Auftritt angemessen freundlich­es Gesicht machen.

Unabhängig­keit ist das höchste Gut des Projekts. „Dinge können immer rasch entschiede­n werden, keiner redet drein!“, meint ein Mitarbeite­r. Was für ein Segen! pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria