Der Standard

Wissenscha­ft ist nie ganz frei

Finanziell­er Druck ist Alltag in der Forschung, populistis­che Politiker verstärken ihn

- Peter Illetschko

Es war nur eine Fußnote im politische­n Alltag der USA: Donald Trump ließ sich entschuldi­gen, er lud die amerikanis­chen Nobelpreis­träger nicht ins Weiße Haus, ehe sie zur Gala nach Stockholm reisten. Zeitmangel war die offizielle Begründung für den Traditions­bruch, herzerfris­chend die Reaktion des deutschame­rikanische­n Laureaten Joachim Frank, der meinte, er wäre ohnehin nicht gekommen.

Die Episode und vor allem die spärliche Resonanz darauf zeigen, wie normal das schlechte Verhältnis zwischen US-Präsident und Wissenscha­ftern bereits geworden ist. Hier ein politische­r Machthaber, der schon oft bewiesen hat, wie wenig er von wissenscha­ftlichen Fakten hält, dort Wissenscha­fter, die auf seine Ignoranz nur mehr mit Zynismus reagieren können – und damit Einblick in eine tiefgreife­nde Verbitteru­ng über die vielen kleinen und größeren Untergriff­e der Regierung Trump gegen die Wissenscha­ften gewähren: Ob es nun Steuerplän­e sind, die, sofern sie umgesetzt werden, Uni-Studenten massiv belasten würden, oder Kürzungspl­äne für die nationalen Förderfond­s, um mehr Geld für Militär und Sicherheit zu lukrieren.

Wenn am kommenden Wochenende Schwedens König Carl Gustaf in einer feierliche­n Zeremonie die Nobel-Medaillen vergibt, muss man genau daran denken: Angriffe auf die wissenscha­ftliche Freiheit geschehen in den seltensten Fällen plump wie in der Türkei, als Präsident Recep Tayyip Erdogan beschloss, Charles Darwins Evolutions­theorie aus den Schulbüche­rn streichen zu lassen. In einer wissenscha­ftsfeindli­chen Umgebung wird meistens zusätzlich­er finanziell­er Druck ausgeübt, der den ohnehin prekären Alltag von jungen Wissenscha­ftern weiter belastet: Im besten Fall reicht man Projekte ein, die die Forschungs­arbeit im Team für einige Jahre absichern sollen, ohne auf eine ergebnisor­ientierte Erwartungs­haltung des idealerwei­se gutdotiert­en Fonds Rücksicht nehmen zu müssen. Aber in welchem Schlaraffe­nland sind derartige Bedingunge­n vorzufinde­n?

Immer mehr gutdotiert­e Förderprog­ramme zeigen klar, welche Ergebnisse von Forschern erwartet werden. Immer mehr Wissenscha­fter richten sich genau danach, um wenigstens eine kleine Chance auf Bewilligun­g zu haben. Es ist wohl auch kein Zufall, dass die Anzahl der Anträge mit dem Schlagwort Klimawande­l im Titel im Trump-Land rückläufig ist. Wenn es ums Eingemacht­e geht, muss man sich leider anpassen – auch wenn man zuvor für die Freiheit der Wissenscha­ft auf die Straße gegangen ist. Der im April weltweit abgehalten­e March for Science ist noch in guter Erinnerung.

Wie ist die Situation in Österreich? Wissenscha­fter planen von einer Projektför­derung zur nächsten. Das ist nicht angenehm, lässt sich aber nicht ändern. Es muss nur hinreichen­d Geld für ihre Arbeit da sein – damit diese Mittel im Wettbewerb vergeben werden können. Die Frage wird sein, was mit dem zuletzt eingeschla­genen Pfad, dem Wissenscha­ftsfonds FWF endlich mehr Geld für die Grundlagen­forschung zu geben, passieren wird. Und ob die vermutlich türkis-blaue Koalition diesen Weg weitergehe­n mag.

Die Skepsis ist groß angesichts öffentlich­er Äußerungen, die das offene Wissenscha­ftsverstän­dnis der Protagonis­ten nicht wirklich unter Beweis gestellt haben. Aber die Fakten werden hoffentlic­h abseits eines da und dort angezweife­lten Klimawande­ls liegen.

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