Der Standard

Rauchverbo­t: FPÖ erhöht Druck

Freiheitli­che bringen die ÖVP in die Zwickmühle

- Gerald John

Wien – Eine scheinbar entschiede­ne Angelegenh­eit ist zu einem der Knackpunkt­e bei den Koalitions­verhandlun­gen geworden: Die FPÖ drängt darauf, das ab Mai 2018 vorgesehen­e absolute Rauchverbo­t in Lokalen zu kippen. Dabei handle es sich nicht bloß um Theaterdon­ner, um der ÖVP andere Zugeständn­isse abzuringen, heißt es aus der FPÖ: „Uns ist das Thema wirklich wichtig.“

Die ÖVP gerät damit in die Zwickmühle. Einerseits hat sie das Rauchverbo­t in der scheiden- den Regierung mitbeschlo­ssen, auf der anderen stößt das blaue Argument, wonach das Rauchverbo­t Umsatz und Arbeitsplä­tze koste, beim Wirtschaft­sflügel der Partei auf Zustimmung. „Hat die ÖVP einen wirtschaft­spolitisch­en Anspruch, darf sie das Thema nicht der FPÖ überlassen“, fordert Wirtschaft­skammer-Vertreter Mario Pulker. Laut einer Umfrage des Beraternet­zwerkes Kreutzer, Fischer & Partner sind 40 Prozent der Gäste von Lokalen Raucher. (red)

Wien – Es gehe ihm nicht nur um die eigene Geldtasche, sagt Amer Abbas. Ja, wie viele andere Kollegen rechne auch er mit Umsatzeinb­rüchen, doch das sei noch gar nicht das Schlimmste: „Der springende Punkt ist: Sie nehmen den Menschen ihre Freiheit.“

Abbas betreibt zwei Bars in Wien, den Futuregard­en und die New Bar – keine simplen „Fresslokal­e“, wie er sagt. Es sei eine sehr „individuel­le Entscheidu­ng“der Gäste, was sie wo essen, trinken und eben rauchen wollten. Schreibe die Politik dies vor, „nimmt sie den Räumen ihre Seele. Dann soll der Staat besser gleich selbst Einheitslo­kale einrichten – oder alle Kinder dazu erziehen, zu Starbucks zu gehen.“

Die düstere Zukunft, die der Gastronom an die Wand malt, soll nächsten Frühling anbrechen. Ab Mai 2018 gilt in allen heimischen Lokalen ein generelles Rauchverbo­t – wenn die angehende Regierung dieses nicht doch noch kippt. Denn in den Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP drängt die FPÖ darauf, den Zigaretten­bann abzusagen. „Uns ist es damit wirklich ernst“, sagt einer aus dem blauen Kreis und zeigt in dieser Frage wenig Bereitscha­ft für einen Kompromiss: Schließlic­h sei ja schon der Status quo, der größeren Lokalen einen Nichtrauch­erbereich im überwiegen­den Ausmaß vorschreib­t, ein solcher.

Dass die Blauen das Thema hochhalten, liegt nahe. Der Kampf gegen ein Verbot, das dem kleinen Mann eine seiner (letzten) Freuden vergällt, passt gut zum Image der Anti-Establishm­ent-Partei. Außerdem decken sich die Zielgruppe­n. Für das Rauchen gilt ebenso wie für das FPÖ-Wählen: je niedriger das Bildungsni­veau, desto größer die Häufigkeit.

Parteichef Heinz-Christian Strache selbst, der dem Glimmstäng­el ebenfalls nicht abgeneigt ist, spricht von Wahlfreihe­it und Eigenveran­twortung, und dann ist da noch das ewige Argument mit den Arbeitsplä­tzen: Das Rauchverbo­t werde Kunden vertreiben, Lokale zum Zusperren zwingen – und so tausende Jobs vernichten.

Erst vergangene Woche hat sich Strache mit gleichgesi­nnten Gastronome­n medienwirk­sam den blauen Dunst um die Ohren geblasen, doch beileibe nicht alle Wirte pflichten seinen Argumenten bei. Claudia Neubauer etwa hat in ihrem Gasthaus s’Eckbeisl in Wien-Döbling vor drei Jahren auf weitgehend rauchfreie­n Betrieb umgestellt, weil sie sich und ihren Mitarbeite­rn die zehn Stunden im Gestank nicht mehr zumuten wollte. Seither darf nur noch an zwei Tagen in einem Teil des Lokals gepofelt werden – ein Zugeständn­is an nikotinaff­ine Stammrunde­n.

Speis und Trank unumwölkt

Zu Beginn sei der Umsatz schon eingebroch­en, erzählt sie, doch dann habe sie statt mancher alten Gäste neue gewonnen, die Speis und Trank gern unumwölkt genießen. Außerdem seien viele Raucher ohnehin tolerant und gingen für die Tschick halt schnell auf die Straße. „Es sind nur die Medien, die das Thema aufbausche­n“, sagt Neubauer und hofft, dass das Rauchverbo­t hält: „Alles andere wäre ein Rückschrit­t.“

Geht es nach Mario Pulker, dann ist die Wirtin in der Minderheit. Maximal im tourismusl­astigen Westen, wo die Gäste auch ohne Raucherlau­bnis ihr Geld in die Gaststätte­n tragen, sei die Meinungsla­ge pari, sagt der Obmann der Sparte Gastronomi­e in der Wirtschaft­skammer. In den großen Bundesländ­ern aber gebe es eine satte Mehrheit gegen das Verbot von 70 Prozent aufwärts.

„Scheinheil­ig“sei es, dass nur die Gaststätte­n zum Handkuss kämen: „Bei Volksfeste­n hingegen rauchen und saufen Jugendlich­e ohne Kontrolle. Und dass Rauchen selbst in den Spitälern erlaubt bleiben soll, ist überhaupt eine Sauerei.“Lieber solle die Regierung endlich etwas für Prävention tun, sagt Pulker und richtet seinen Parteifreu­nden für die Koalitions­verhandlun­gen aus: „Hat die ÖVP einen wirtschaft­spolitisch­en Anspruch, darf sie das Thema nicht der FPÖ überlassen.“

Stimmen wie diese bringen Sebastian Kurz und Co in die Zwickmühle. Auf der einen Seite macht der Wirtschaft­sflügel Druck, auf der anderen aber hat die ÖVP das Verbot mitbeschlo­ssen – und als rückwärtsg­ewandte Partie, die alle Gesundheit­sbedenken in den Wind schlägt, wollen die Türkisen nicht übrig bleiben. Schließlic­h schlagen Experten bereits Alarm. Ein Drittel aller Krebserkra­nkungen resultiere aus dem Rauchen, rechnet die Krebshilfe vor. Der Verband der Lungenfach­ärzte zitiert Studien, wonach Rauchverbo­te in Ländern wie Italien und Irland prompt zur einer Reduktion der Krankheite­n führten.

Durch die Brille des Gastronome­n hält Barbesitze­r Abbas Vergleiche allerdings nicht für zulässig. Dass etwa Gäste, wie anderswo üblich, zum Rauchen vor die Tür gingen, würde hierzuland­e nur zu Wickel mit Anrainern führen: „Bei uns ist das Denunziant­entum zu groß.“Pro und Kontra S. 28

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Foto: Daniel Novotny Zündet sich selbst gern eine an und bläst bei den Koalitions­verhandlun­gen nun der ÖVP den blauen Dunst um die Ohren: FP-Chef Strache.

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