Der Standard

Rekrut hatte Herzproble­me

Dem Standard zugespielt­e Unterlagen werfen ein neues Licht auf den Fall des Bundesheer-Rekruten, der im August nach einem Hitzemarsc­h in Horn starb. Das EKG des 19-Jährigen wies mehrere Abnormität­en auf.

- Bianca Blei, Irene Brickner Foto: APA / Georg Hochmuth

Jener Rekrut, der im August nach einem Hitzemarsc­h starb, hatte laut dem STANDARD zugespielt­en Unterlagen Herzproble­me.

Wien – Im Sommer sorgte der Tod eines 19-jährigen Grundwehrd­ieners im niederöste­rreichisch­en Horn für Entsetzen. Der junge Mann war nach einem Marsch bei rund 35 Grad Celsius zusammenge­brochen. In der Folge wurde, unter anderem, über die medizinisc­he Betreuung beim Heer diskutiert. Denn der Rekrut, der als Gardist ausgebilde­t werden sollte, hatte, bevor er starb, hohes Fieber – war aber dennoch mitmarschi­ert.

Das Fieber – so ergab eine zeitnah durchgefüh­rte Untersuchu­ng – war einer Blutvergif­tung geschuldet. Im Blut des 19-Jährigen habe man zwei hochgefähr­liche Keime gefunden. Als Erkrankung sei dies „extrem selten“, hieß es bei der ermittelnd­en Staatsanwa­ltschaft Krems.

Doch besagte Infektion dürfte nicht das einzige gesundheit­liche Problem des Wieners gewesen sein. Laut Stellungsu­nterlagen, die dem Standard zugespielt worden sind – ein Umstand, der das Verteidigu­ngsministe­rium zu einer Anzeige gegen unbekannt wegen Verstoßes gegen den Datenschut­z bewogen hat –, war er zum Zeitpunkt seiner Musterung am 29. Jänner 2015 schwer übergewich­tig: „Adipös“, notierte der Truppenarz­t.

Auch das an diesem Tag angefertig­te EKG wies Auffälligk­eiten auf. „Abnorme Ergebnisse von kardiovask­ulären Funktionsp­rüfungen“, schrieb der Doktor auf. Der Rekrut könnte unter einer „Linksherz-Hyperthrop­hie“gelitten haben, meint dazu eine vom Standard mit den EKG-Kurven konfrontie­rte Internisti­n. Das würde bedeuten, dass der damals 17-Jährige einen verdickten Herzmuskel hatte. Prinzipiel­l sei das nichts Seltenes, in diesem jungen Alter jedoch sehr ungewöhnli­ch. Hypertroph­ie würde vor allem im Zusammenha­ng mit Bluthochdr­uck vorkommen.

Frage des Herzmuskel­s

Auf dem EKG-Befund ist zudem handschrif­tlich „unspezifis­che Repolarisa­tionsstöru­ng inferior“notiert. Laut der befragten Ärztin können solche Störungen ebenfalls auf einen verdickten Herzmuskel hinweisen. Möglich sei, dass der Rekrut unter einer Hypertroph­en Kardiomyop­athie gelitten habe: einer Erkrankung, bei der der Herzmuskel auch in jungen Jahren sehr dick wird und bei der man bei starker Belastung Rhythmusst­örungen erleiden kann.

Für grundwehrf­it erklärt wurde der junge Mann 2015 dennoch. Mit Wertungszi­ffer fünf auf der Tauglichke­itsstufens­kala fiel eine weitere militärärz­tliche Überprüfun­g, wie sie bei Wertungszi­ffer drei oder vier angeordnet wird, aus. Ob man ihm riet, Herz und Kreislauf gründlich untersuche­n zu lassen, weiß Michael Bauer, Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums, nicht.

Zur Einstellun­gsuntersuc­hung zweieinhal­b Jahre später habe er jedenfalls keine eigenen Befunde mitgebrach­t. Aber er habe in der Zwischenze­it „rund 15 Kilo abgenommen“gehabt.

Besagter Check fand am 10. Juli 2017 statt, nur dreieinhal­b Wochen vor dem fatalen Ausbildung­smarsch. Überprüft wurde zum Beispiel das Gewicht: Den dem Standard zugespielt­en Unterlagen zufolge wog der 1,92 Meter große junge Mann 115 Kilo – laut Body-Mass-Index (BMI) nach wie vor ein adipöser Wert.

Mit 162/86 waren auch seine Blutdruckw­erte erhöht, detto hatte er mit 98 Schlägen in der Minute einen hohen Ruhepuls. Seine Heeres-Wertungszi­ffer wurde trotzdem erhöht, von fünf auf die hohe Zahl acht. Ein anonym bleibender Kenner des Bundesheer­es mutmaßt, dass dies mit der beachtlich­en Körpergröß­e in Zusammenha­ng gestanden haben könne: „Er war ein idealer Garde-Kandidat, und für die Garde braucht man eine hohe Eignung.“

„Kein Leistungss­portler“

Anders sieht das Ministeriu­mssprecher Bauer: Der BMI messe nicht alles, meint er. Vielmehr sei der Betreffend­e „ein Wasserball­er, also ein Sportler“gewesen, nicht fett, sondern muskulös.

„Er war kein Leistungss­portler und nie in unserer A-Mannschaft. Sondern er hat nur mitgespiel­t“, relativier­t dies Nurten Yilmaz, Nationalra­tsabgeordn­ete der SPÖ und Präsidenti­n des Arbeiter Schwimmver­eins Wien, wo sich der junge Mann als Wasserball­er betätigt hatte. 2016, kurz vor der Matura, habe dieser sich eine Auszeit genommen und sei danach nicht mehr im Verein aufgetauch­t.

Von „mehr als einer Ursache“für den Tod des Rekruten spricht auch Helmut Graupner, Opferanwal­t der Familie. Graupner kennt die unveröffen­tlichte Expertise des Gerichtsgu­tachters Wolfgang Denk zu dem Fall, die Grundlage einer möglichen Anklage der Staatsanwa­ltschaft wegen fahrlässig­er Tötung unter besonders gefährlich­en Umständen ist. Auf die Frage, ob Herzproble­me mit zum Tod geführt hätten, antwortet Graupner: „Ja, das war ein Element.“

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Mit bei den dem STANDARD zugespielt­en Stellungsu­nterlagen des toten Rekruten: die Heeres-Gesundheit­skarte.
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