Schwere Vorwürfe gegen Stardirigent
James Levine, langjähriger Musikdirektor der New Yorker Metropolitan Opera, ist mit schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Er soll jahrelang einen jungen Mann sexuell ausgenützt haben. Die Met hat alle Auftritte des Stardirigenten abgesagt.
New York – Die Welle von Veröffentlichungen zu sexuellen Übergriffen, die mit dem Fall des Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein begann, hat nun auch die Welt der klassischen Musik erreicht. Die Metropolitan Opera in New York hat ihren langjährigen Musikdirektor James Levine wegen massiver Missbrauchsvorwürfe vorerst suspendiert. „Während wir die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten, haben wir uns aufgrund der neuen Berichte dazu entschlossen, sofort zu handeln“, teilte das Opernhaus auf Twitter mit.
Der 74-jährige Levine werde bei keinerlei Aktivitäten der Met dabei sein, er werde auch die für diese Saison geplanten Auftritte nicht erfüllen. Die Met reagiert damit auf Veröffentlichungen vom Sonntag. Die New York Times hatte Einzelheiten aus einem Polizeibericht von 2016 publiziert, der dem Opernhaus im vergangenen Jahr vorgelegt worden war. Demnach gaben zwei mutmaßliche Opfer an, Ende der 1960er-Jahre als Minderjährige missbraucht worden zu sein. Die Zeitung interviewte zudem einen dritten Betroffenen.
Wollte Dirigent werden
Levine soll als 40-Jähriger im Jahr 1985 am Rande eines Musikfestivals Kontakt zu dem damals 16-jährigen Ashok P. aufgenommen und ihn jahrelang sexuell missbraucht haben. Der Jugendliche wollte demnach auch Dirigent werden. Bis 1993 habe der Missbrauch angedauert und den heute 48-Jährigen fast in den Suizid ge- trieben. Medienberichten zufolge lernte das mutmaßliche Opfer schon als Vierjähriger den Dirigenten kennen. Levine habe ihm jahrelang Geschenke geschickt, bevor er mit den sexuellen Übergriffen begonnen habe.
Met-Geschäftsführer Peter Gelb teilte mit, dass seiner Kenntnis nach bereits zuvor Anschuldigungen gegen Levine in den höheren Kreisen der Met kursierten.
Zum einen im Oktober 2016, als die Polizei im Zuge ihrer Ermittlungen im Fall Ashok P. Fragen stellte. Zum anderen bereits 1979. Der damalige Met-Direktor Anthony A. Bliss schrieb einen Brief an den Vorstand des Opernhauses. Demnach schenkte die Führung der Met den Missbrauchsvorwürfen zu jener Zeit keinen Glauben. Von jüngsten Berichten über Levines Verhalten sei man „zutiefst betroffen“, hieß es.
Die Met habe eine Anwaltskanzlei beauftragt, um den vielen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs durch Levine von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre nachzugehen. Deshalb werde die Zusammenarbeit mit Levine vorbehaltlich der Ermittlungen auf Eis gelegt, hieß es weiter.
Levine war von 1971 bis 2016 an der Met Dirigent und lange Zeit auch künstlerischer Leiter. Während seiner Karriere stand er mehr als 2500-mal für die Met am Dirigentenpult – das bisher letzte Mal erst am vergangenen Samstag. Er hatte die künstlerische Leitung der Met im vergangenen Jahr wegen seiner Parkinson-Erkrankung aufgegeben. Laut New York Times erklärte er sich 2016 auf Nachfrage der Met für nicht schuldig.
Fall Weinstein
Im Fall Weinstein arbeiten inzwischen Polizeibehörden in New York, Los Angeles und London zusammen. Mehr als 50 Frauen werfen dem heute 65-Jährigen vor, sie sexuell belästigt, missbraucht oder vergewaltigt zu haben. Der Produzent weist die Vorwürfe zurück und hat durch einen Sprecher erklären lassen, keinen nicht einvernehmlichen Sex gehabt zu haben. (APA, red)