SPÖ: Oberösterreich ist Versuchslabor des Sozialabbaus
Matznetter kritisiert „neoliberales Spardiktat“im Land und Militarisierung auf Bundesebene
Wien/Linz – Die schwarz- beziehungsweise türkis-blaue Koalition in Oberösterreich wird vom vorläufigen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter zum Versuchslabor des Sozialabbaus hochstilisiert. Dass die im Land ob der Enns geplanten finanziellen Beiträge der Eltern zur Kinderbetreuung am Nachmittag ähnlich den in anderen Bundesländern üblichen Tarifen sind, ist für Matznetter kein zulässiges Argument – und die Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) erinnert daran, dass der frühere Landeshauptmann Josef Pühringer sich im Sozialbereich „in der Champions League“bewegen wollte.
Pühringers Nachfolger Thomas Stelzer (ÖVP) versuche ein „neoliberales Spardiktat“durchzusetzen, sagt Matznetter – Ähnliches sei von der ÖVP-FPÖ-Koalition zu erwarten. Deren Verhandler agierten unprofessionell, weil die bisher verlautbarten Vorhaben nicht gegenfinanziert seien. Nur ein bisher nicht dementierter Plan steche heraus, nämlich jener zur Aufstockung des Wehretats um eine Milliarde Euro. Was die SPÖ ebenso ablehnt wie die Sozialkürzungen, die sie als Ausgleich befürchtet.
In Oberösterreich steuert indes die wohl emotionalste Budgetdebatte der letzten Jahre ihrem Höhepunkt entgegen: Um neun Uhr eröffnet Stelzer am Dienstag mit seiner ersten Budgetrede die dreitägige Sitzung. Diskutiert und protestiert wird aber nicht nur im Linzer Landhaus. Bereits am Montagabend zogen rund 1500 Teilnehmer der Demo „Für ein lebenswertes OÖ“über die Linzer Landstraße. Parallel dazu lud Stelzer Vertreter diverser Kultureinrichtungen zum runden Tisch. Im Gepäck hatten die Verhandler 15.000 Unterschriften, die von der Kulturplattform OÖ gegen die geplanten Kürzungen bei den Kulturförderungen gesammelt wurden. Am Dienstag findet dann um 7.30 Uhr vor dem Landhaus eine von den Gewerkschaften organisierte Großdemo gegen einen möglichen Jobabbau statt. Der Frühstart am Krampustag hat einen Grund: Mit Beginn der Sitzung wird eine Bannmeile vor dem Landhaus errichtet.
Wie tief die Hackeln derzeit zwischen der schwarz-blauen Regierung und der SPÖ in Oberösterreich fliegen, zeigt sich eindrucksvoll am Fall eines möglichen Sozialbetrugs. Wie berichtet soll die Obfrau eines Vereins zur Betreuung von Behinderten gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten das Land mittels gefälschter Rechnungen um gut 1,5 Millionen Euro geprellt haben. ÖVP und FPÖ werfen Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) nun vor, den Fall seit September „geheimgehalten“zu haben. Diese kontert, dass Landeshauptmann Stelzer „seit Wochen“davon gewusst haben müsse. Was dieser umgehend dementierte.
Am Montag präzisierte Gerstorfer dann ihre Angaben: Es sei ein „klassischer Betrug“gewesen. Sie habe davon am 18. September gehört, am 24. September die KPMG mit der Prüfung beauftragt und die Finanzabteilung, die dem Landeshauptmann untersteht, am 3. Oktober informiert – „das ist offenbar in der Abteilung nicht weitergegeben worden“. Auf die Frage, ob sie Stelzer persönlich informiert habe, sagte sie: „Das ist nicht der übliche Weg.“
Sonderbeauftragter
Stelzer sprach dann seinerseits am Montag ein deutliches Machtwort: Er stellte Gerstorfer einen Sonderbeauftragten zur Seite, der ihm gegenüber berichtspflichtig ist. Auf die Frage, ob Gerstorfer nun unter Kuratel stehe, meinte Stelzer: „Es handelt sich um eine Maßnahme im beamteten Bereich, nicht im politischen.“Als Sonderbeauftragten will der Landeschef den ehemaligen Geschäftsführer der Landesholding Dieter Widera einsetzen. Er solle die Zahlen bezüglich des Mitteleinsatzes im Bereich des Chancengleichheitsgesetzes und für das Projekt „Sozialressort 2021+“außer Streit stellen.