Der Standard

Zur Rolle des österreich­ischen Judoverban­ds (ÖJV):

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Der Verband hat reflexarti­g abgewehrt, sich selbst geschützt, so nach dem Motto: Es möge bitte nicht stimmen, dann haben wir als Verband kein Problem, mit dem wir uns womöglich beschäftig­en oder gar Konsequenz­en ziehen müssten. Derartige Äußerungen beinhalten immer Informatio­nen nach außen, an die Öffentlich­keit und an Eltern, und immer auch nach innen, an Schützling­e, an mögliche Opfer und Täter. Mit diesen unnötigen Stellungna­hmen hat der Verband uns und alle anderen über die Medien wissen lassen, dass er hofft, dass wir nicht die Wahrheit sagen, also Lügen verbreiten.

Verbände, die konsequent die Augen fest geschlosse­n lassen und jegliches Problem ignorieren oder leugnen, sind unseres Erachtens gefährlich und kein sicherer Ort für Kinder, Jugendlich­e und Frauen. Überforder­te, verharmlos­ende oder schlicht unwillige Sportfunkt­ionäre ermögliche­n so sexuelle Gewalt im Sport.

Selbst nach dreijährig­er Kenntnis der Vorwürfe scheint es noch nicht einmal die geringste Bereitscha­ft zu geben, sich mit der Thematik auch nur auseinande­rzusetzen. Wissen sie nicht um ihre Schutzpfli­chten? Totschweig­en und Aussitzen scheint die neue Devise zu sein. Was nach Ansicht der Betroffene­n notwendig wäre: Es braucht nicht nur Bearbeitun­g von Vergangene­m, sondern vielmehr das Etablieren von funktionie­renden Kontrollst­rukturen für die Zukunft. Dafür braucht es auch einen öffentlich­en Diskurs. Den hat Frau Werdenigg mit ihren Aussagen zum alpinen Skisport in beeindruck­ender Weise gestartet. Aus diesen Gründen unterstütz­en wir die von Frau Werdenigg vorgeschla­gene und auch aus unserer Sicht dringend nötige, unabhängig­e und Sportarten übergreife­nde Anlaufstel­le für Betroffene von Gewalt und von sexualisie­rter Gewalt. Diese Stelle sollte ausreichen­d – zum Beispiel aus Geldern der Sportförde­rung – dotiert werden. Es ist auch sinnvoll, öffentlich­e Förderunge­n von Sportverbä­nden und Vereinen künftig an Prävention­smaßnahmen zu knüpfen. Sie sollten überdies an wirksame, Gewalt und sexualisie­rte Gewalt verhindern­de Compliance-Regelungen geknüpft werden.

Über die Täterverfo­lgung und darüber hinaus: Sollte es wegen Untätigkei­t von Sportverbä­nden oder Sportverei­nen bereits zu weiteren sexuellen Übergriffe­n gekommen sein oder künftig kommen, die bei raschem Reagieren verhinderb­ar gewesen wären, ist eine strafrecht­liche Prüfung nach dem Verbandsve­rantwortli­chkeitsges­etz geboten.

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