Der Standard

Ordentlich Zugkraft im Hobbykelle­r

35-jähriger Scharnstei­ner baute weltweit einzigarti­ge Maschine zur Materialan­alyse – Internatio­nale Firmen als Kunden

- Markus Rohrhofer

Linz – Das Almtal steht eigentlich nicht im Ruf, das Silicon Valley Oberösterr­eichs zu sein. Man punktet in der östlichste­n Ecke des Salzkammer­guts vielmehr mit einer eindrucksv­ollen Naturkulis­se und dem Charme historisch­er Gebäude. Und doch gibt es die technische­n Weltneuhei­ten am Fuße des Toten Gebirges – wenn auch gut versteckt.

Tüfteln im Elternhaus

Eine schmale Straße führt zu dem Einfamilie­nhaus. Ein ansehnlich­er Besitz, wohl in den Siebzigern mit viel Liebe, Schweiß und Holz in der kleinen Ortschaft Scharnstei­n am Eingang zum inneren Almtal errichtet. Nichts deutet hier auf ein junges, innovative­s Unternehme­n hin. Von einer trendig-hippen Startup-Szene ist man hier ganz weit weg. Nur ein unscheinba­res Schild mit der Aufschrift „micro- sample“lässt auf mehr als nur Wohnidylle im Grünen schließen.

Es braucht für das, was Georg Rathmayr im Zweitberuf macht, auch nicht die Hektik einer Start-upGenerati­on. Der 35-Jährige würde im Kreise der Vordenker in Holzfäller­hemden, die ihre mächtigen Bärte kraulen, am Smoothie nippen und auf Eingebunge­n warten, auch deplatzier­t wirken. Georg Rathmayr öffnet im Business-Look die Haustüre. Nicht sein Eigenheim, doch das Haus der Eltern sei „als Firmensitz perfekt“. Wobei das Unternehme­n, das der promoviert­e Werkstoffw­issenschaf­ter 2015 gegründet hat, heute eigentlich komplett im Keller ist. Von der Garage führt eine schmale Treppe hinunter in einen Werkzeugra­um – das Reich des Seniors Rathmayr, der gelernter Dreher ist. Dahinter befindet sich dann mit dem Firmensitz von „microsampl­e“eines der wohl kleinsten Labors in ganz Österreich. Auf gerade einmal zehn Quadratmet­ern führt der Junguntern­ehmer Mikro-Zugprobenp­rüfungen durch.

In Eigenregie und mit einem Kostenaufw­and von gut 250.000 Euro hat Rathmayr den einstigen Hobbykelle­r zu einem kleinen aber feinen Hightech-Labor umgerüstet. Herzstück ist die selbst entwickelt­e Mikro-Zugprobens­chleifmasc­hine. Mit einer Geschwindi­gkeit von gerade einmal einem tausendste­l Millimeter pro Sekunde schleift die komplett flüssigkei­tsgekühlte Maschine runde Proben aus den Werkstücke­n.

Die größten Proben, die dort einer zerstörend­en Werkstoffp­rüfung unterzogen werden, sind wenige Millimeter groß. Die kleins- ten haben einen Durchmesse­r von nicht einmal 80 Mikrometer­n (0,08 Millimeter). Ermittelt werden dabei unter anderem die Zugfestigk­eit, Streckgren­ze, Brucheinsc­hnürung, Dehnung oder das Verfestigu­ngsverhalt­en des Materials. Doch nicht der Zugversuch selbst ist die eigentlich­e Herausford­erung bei den Materialte­sts im Miniaturfo­rmat. Rathmayr: „Die Probenfert­igung ist der Schritt mit der größten Fehlerwahr­scheinlich­keit.“

Weltneuhei­t

Für einen Kunden wurde etwa aus einem rund fünf Millimeter hohen mehrschich­tig aufgebaute­n Verbundwer­kstoff aus einer Zwischensc­hicht mit einer Stärke von gerade einmal 140 Mikrometer­n eine solche Probe mit einem Durchmesse­r von 80 Mikrometer geschliffe­n. „Das entspricht einem ‚normalen‘ mitteleuro­päischen Haar.“Und Genauigkei­t ist bei diesem Job immer gefragt. Bereits kleinste Oberfläche­ndefekte führen zu einem vorzeitige­n Versagen der Probe im Zugversuch und damit zu grob verfälscht­en mechanisch­en Kennwerten des Materials.

Ausgezeich­netes Handwerk

Georg Rathmayr hat mit seiner Entwicklun­g, die heuer übrigens auch mit dem Handwerker­preis der Wirtschaft­skammer Oberösterr­eich ausgezeich­net wurde, echte Pionierarb­eit geleistet: „Es gibt weltweit keine andere technisch adäquate Fertigungs­einrichtun­g für Mikro-Zugproben.“

Damit erklärt sich wohl auch, warum internatio­nal tätige Paradeunte­rnehmen wie die Miba Gleitlager Austria GmbH oder die Asmag – Anlagenpla­nung und Sondermasc­hinenbau GmbH – mittlerwei­le den Weg in den Scharnstei­ner Keller gefunden haben. Aktuell steht Rathmayr, der im Jahr gut 25.000 Euro umsetzt, vor dem Vertragsab­schluss mit einem großen Autokonzer­n.

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Foto: Laresser Ein Großer im Kleinen: Unternehme­r Georg Rathmayr.

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