Jedi-Ritter in der Glücksspielfalle
Immer mehr Blockbuster-Videospiele nutzen süchtig machende Monetarisierungsmechaniken wie Lootboxen. Ein schwieriger Fall
Wien – Die Geschäftspraktiken von Videospielherstellern sind international ins Visier der Konsumentenschützer und Behörden geraten. Grund dafür ist die zunehmende Integration von glückspielähnlichen Monetarisierungsmechaniken in populäre Spielserien wie Fifa, Assassin’s Creed, Destiny, Overwatch oder jüngst Need for Speed sowie Star Wars: Battlefront.
Doch während für Kritiker klar ist, dass Herausgeber wie EA, Activison oder Ubisoft damit ohne Lizenz und ungekennzeichnet Kasinomodelle anwenden, um Kunden Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro zu entlocken, ist die Rechtslage laut Behörden nicht so eindeutig.
Streitpunkt sind sogenannte Lootboxen, die man in Games mit Spielgeld oder auch Echtgeld erwerben kann und die zufällig ausgewählte virtuelle Inhalte wie Rüstungen für Spielcharaktere enthalten können. Laut Konsumentenschützerin Daniela Zimmer der Arbeiterkammer Wien ergeben sich hier zwei Probleme: Zum einen sei es prinzipiell „spielpädagogisch bedenklich“, wenn sich Spieler Vorteile erkaufen können. Denn während sich Hersteller zu- nächst auf kosmetische Gegenstände beschränkten, werden nun auch immer häufiger spielbestimmende Waffen oder Hilfen über Lootboxen ausgegeben. Ein Modell, das in der Branche als „Pay2Win“verschrien ist, Hersteller nach außen hin aber damit rechtfertigen, dass es so auch jenen Kunden, die wenig Zeit in ihr Hobby stecken können, erlaubt wird, schlagkräftig in MultiplayerGames mitzumischen.
Schwerer wiegt zum anderen allerdings der Vorwurf, wonach Hersteller mit Lootboxen laut Zimmer eine „aggressive Werbeform“anwenden, die sich an ein zu großen Teilen jugendliches Publikum richtet. Die Geschäftsberichte der Konzerne zeigen, wie lukrativ das Geschäft ist. Ubisoft beispielsweise nahm im vergangenen Quartal erstmals mehr über derartige Zusatzinhalte und Lootboxen ein, als über den Verkauf von Download-Games selbst. Ein Grund dafür: Während von den Spielverkäufen nach Steuern und Lizenzkosten nur etwa 20 Prozent des Kaufpreises tatsächlich beim Hersteller landen, bleiben von jedem Euro für In-GameInhalte rund 90 Cent übrig. Insofern ist das wirtschaftliche Interesse, Spieler mit vielversprechenden Schatzkisten zum Einzahlen zu verleiten, riesig.
Dass Lootboxen so bei allen eingesetzten psychologischen Tricks regelrecht zur Sucht werden können, schilderte jüngst ein 19-jähriger US-Amerikaner mit dem Usernamen Kengold in einem Brief an Konsumenten und Hersteller. In den vergangenen drei Jahren habe er auf diese Weise 13.500 Dollar für virtuelle Inhalte ausgegeben. Aus Sicht von Eltern ein besorgniserregender Fall, für Herausgeber aber ein lohnendes Geschäft. Intern nennen sie Kunden wie Kengold „Wale“, die weniger als ein Prozent der Spielerschaft ausmachen, aber für einen Großteil der Einnahmen sorgen.
Berichte wie diese veranlassten Behörden in EU-Ländern wie Holland und Belgien sowie in einigen US-Bundesstaaten dazu, Ermittlungen einzuleiten, um die Glücksspielvorwürfe zu prüfen. Doch während die Ergebnisse dazu noch auf sich warten lassen, erklärt Johannes Pasquali, Sprecher des österreichischen Finanzministeriums, wie komplex die Sachlage ist.
„Bei solchen Games stellt sich primär die rechtliche Frage, ob diese in die Glücksspieldefinition fallen, ob also der Anteil an den zufallsbedingten Elementen so maßgeblich ist, dass vorherrschende Geschicklichkeitselemente in den Hintergrund treten. Das ist nur durch ein Sachverständigengutachten feststellbar und wohl für jedes Spiel erforderlich“, sagt Pasquali, dem zufolge bislang kein „begründeter Verdacht zu vorherrschenden Glücksspieleigenschaften solcher Spiele“vorliege. Zudem müssten diese Spiele, um die Glücksspieldefinition zu erfüllen, Spielern einen vermögenswerten Gewinn (z. B. Geld) in Aussicht stellen.
Bei den aktuell debattierten Games ist dies bislang tatsächlich nur über Umwege möglich. So bieten manche Wettplattformen bereits an, Spielinhalte wie Waffenverzierungen als Währung einzusetzen und über den Secondhandmarkt werden je nach Seltenheit der Inhalte von Centbeträgen bis zu mehreren hundert Euro für virtuelle Kostüme und Spieleraccounts geboten.
Belgiens Justizminister sieht Lootboxen nicht nur deshalb kritisch: „Die Vermischung von Geld und Sucht ist Glücksspiel“, so Koen Geens in einer Erklärung und pocht auf ein EU-weites Verbot. Chris Lee, Repräsentant des US-Bundesstaats Hawaii, warnt ebenfalls: „Das ist etwas, was wir angehen müssen, um sicherzustellen, dass speziell Kinder davor geschützt werden, in diese Fallen zu geraten.“Konsumentenschützerin Zimmer pocht im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung zumindest auf eine klare Kennzeichnung von Spielen mit Glücksspielmechaniken.