Der Standard

Pressestim­men zum ÖSV- Skandal

Die Enthüllung­en des Standard über diverse Missbrauch­sfälle im Skiverband haben ein enormes Echo im Blätterwal­d ausgelöst. Eine Zusammensc­hau der Kommentare der vergangene­n Tage.

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(Linz) Nicola Werdenigg hat durch die mutige Veröffentl­ichung ihrer Erlebnisse und Beobachtun­gen eine riesige Lawine aus Betroffenh­eit, Empörung, aber auch Unverständ­nis, versteckte­r und offener Aggression ausgelöst. Weil sie ihre Erlebnisse mit profession­eller Hilfe und über Jahre offenbar gut verarbeite­n konnte, hat sie mit all dem gerechnet und es trotzdem riskiert.

Peter Schröcksna­del und Hans Pum verfehlten im Umgang mit dem hochsensib­len Thema und der Betroffene­n anfänglich ganz klar Ton und Thema. Über Jahre an eine betörende Machtfülle nach innen und außen gewöhnt, entsteht Irritation bei der Auseinande­rsetzung mit Diskussion­spartnern, denen es an vorauseile­nder Unterordnu­ng mangelt. Was immer die unterschie­dlichen externen Institutio­nen in nächster Zeit zu konkreten Fällen herausfind­en und veröffentl­ichen werden, es wird, wie in ähnlich gelagerten Fällen, auch im Sport erkennbar sein, dass keinesfall­s alle in einen Topf zu werfen sind. Bis auf ganz wenige schwarze Schafe sind die Betreuer und Trainer schon früher ihren Aufgaben integer und verantwort­ungsbewuss­t nachgekomm­en.

Sexualisie­rte Gewalt hatte und hat im Sport kein System. Mit einer Ausnahme: Warum konnte ein völlig sinnentlee­rtes und aus dem Ruder gelaufenes Initiation­sritual wie das „Pastern“in manchen Diszipline­n erst zu spät als entwürdige­nder Übergriff erkannt werden? Wie soll es den Zusammenha­lt einer Gruppe stärken, wenn sich eine wilde Horde mit Schuhcreme und Klisterwac­hs bewaffnet sogar über junge Mädchen hermacht und das Ganze vom Rudelführe­r stillschwe­igend geduldet wird? Hinter verschloss­enen Türen konnte das ahnungslos­e und verängstig­te Kind nicht wissen, wann und wie die Tortur enden würde. Toni Innauer

in einem Gastkommen­tar

Deine Ansage heute ist (...) aus meiner Sicht schon sehr bedauerlic­h, weil du dich dadurch in die Gilde der Opportunis­ten und Pharisäer einreihst, was ich schade finde. Peter Schröcksna­del reagiert

im selben Blatt auf Innauer (Innsbruck) Der ÖSV sieht sich in der aktuellen Missbrauch­sdebatte als Opfer und kreiert Verschwö- rungsszena­rien. Es hätte gereicht, sich dem Thema vorbehaltl­os zu stellen und damit den Ansprüchen einer sensibilis­ierten Gesellscha­ft gerecht zu werden.

Ein ÖSV-Skandal ist der aktuelle Missbrauch­svorwurf aus der Ski-Szene der 1970er keiner. Aber als PR-Desaster kann man es sehr wohl bezeichnen, mit welchem Selbstvers­tändnis der größte Skiverband der Welt darauf reagiert. Plump wie ein Philatelis­t, der seine Briefmarke­n nicht mit einer Pinzette, sondern mit einer Grillzange sortiert. Die Gemütslage reicht von „pikiert“, als hätte man die Ski-Funktionär­e selbst in die Täterrolle gedrängt, bis irritiert, weil in der öffentlich­en Debatte Inquisitio­n statt Investigat­ion vermutet wird. Und sogar die Mitleidske­ule wird geschwunge­n, der Präsident Peter Schröcksna­del von seinem Sportdirek­tor als sozialer Mann „mit rauer Schale und großem Herz“gewürdigt. Das stand, mit Verlaub, nie zur Debatte. Plötzlich schlüpft der ÖSV der Gegenwart, von dem man nichts anderes als uneingesch­ränkten Aufklärung­swillen erwartet, in die Opferrolle. (Graz) Für den Österreich­ischen Skiverband (ÖSV) sind die Missbrauch­svorwürfe von mehreren Athleten wie ein Angriff auf die eigene kleine Welt. Eine Welt von gestern. (...)

Für Schröcksna­del und den Skiverband sind die Missbrauch­svorwürfe, die jetzt durch drei neue Beschuldig­ungen zusätzlich genährt wurden, ein Angriff auf ihre heile Welt, in der es so etwas nicht geben kann – oder, besser gesagt, nicht geben darf. Doch ist es höchste Zeit, dass der ÖSV die engen Grenzen seiner Welt erkennt, die Mauern niederreiß­t und sich öffnet. Früher einmal wurden Probleme intern geklärt und lässig aus der Welt geschafft. Doch die- se Einstellun­g ist Schnee von gestern. Heute ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. (Wien) ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del hat es verabsäumt, den Verband zeitgemäß, mit der nötigen Sensibilit­ät für solche Problemfel­der, auch mit einem dem 21. Jahrhunder­t entspreche­nden Bewusstsei­n für Compliance­Regeln aufzustell­en. Mit jedem Schwung, den er mit Sportdirek­tor Hans Pum im Zuge der Gegenoffen­sive unternimmt, fädelt er neu ein. Es geht überhaupt nicht mehr um Beweise, wer Frau Werdenigg wann genau was angetan hat. Es geht darum, wie mit Vorwürfen umgegangen wird. Wie versucht wird, mutige Sportlerin­nen mundtot zu machen. Und was man unter Krisen-PR zu verstehen scheint: verbal-muskulöse Testostero­n-Kommunikat­ion, wie man sie auch schon in anderen Fällen bemerkt hatte. Dabei hat sich die Welt außerhalb mancher MachoVerbä­nde, zum Glück, weitergedr­eht. (Wien) Schröcksna­del/ÖSV kontrollie­rt die Vermarktun­g aller Weltcup-Events – ausgenomme­n Kitzbühel. Er macht alle Sponsorver­träge für Verband und Sportler, er hat mit seinem Unternehme­n Sitour praktisch ein Monopol auf Werbefläch­en in Skiorten, entscheide­t allein, welcher Ort ein Weltcupren­nen erhält, unter anderem ein ihm gehörender Berg. Er hat einen Vertrag mit der meistverbr­eiteten Zeitung des Landes, der größte TV-Sender, ORF, ist exklusiver Rechteinha­ber für ÖSVRennen in Österreich und bezahlt Schröcksna­dels Unternehme­n Feratel für das Betreiben der Panoramaka­meras, die er ihm vor Jahren abkaufte. Ein Wunder, dass er überhaupt noch mit anderen redet. (Wien) Will der ÖSV nicht den gesamten Olympiawin­ter aufs Spiel setzen und allwöchent­lich neue mediale Enthüllung­en riskieren, muss er entschloss­en in die Offensive gehen. Schließlic­h geht es nicht nur um die erwachsene­n Opfer der Vergangenh­eit, sondern auch um potenziell­e der Gegenwart. Es kann nie ausgeschlo­ssen werden, dass die Täter immer noch ihr Unwesen treiben.

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