Der Standard

Der Stecher von der traurigen Gestalt

Der deutsche Spielfilm „Fikkefuchs“hat bereits für Aufregung gesorgt. Ihn als aktuellen Beitrag zur #MeToo-Debatte zu verstehen wäre aber ein fataler Irrtum. Selten hat man nämlich einen derart sexistisch­en und widerliche­n Film im Kino gesehen.

- Michael Pekler

Wien – Fikkefuchs ist ein Film, bei dem man im Kino sitzt und sich fragt, ob man das, was man hier zu sehen bekommt, eigentlich besprechen will. Natürlich könnte man diskursiv vorgehen, einschätze­n und analysiere­n, aber widmet man damit diesem Film nicht eine Aufmerksam­keit, die er gar nicht verdient? Doch mit Schweigen ist es nicht getan. Denn man soll über diesen Film schreiben – und darüber, warum er der widerlichs­te ist, den man seit langem zu sehen bekommen hat.

„Ich habe zum weiblichen Geschlecht, der Vagina, eine quasi religiöse Beziehung aufgebaut.“Rocky (Regisseur, Autor und Hauptdarst­eller Jan Henrik Stahlberg), knapp 50 Jahre alt und in seiner Jugend unter dem Namen „Stecher von Wuppertal“bekannt, sitzt in Berlin auf einer Kirchenban­k. „Für mich ist man zwischen den Beinen einer Frau Gott näher als in der Kirche.“Rocky denkt nur an das Ficken und betrachtet es als die Schuld der Frauen, dass er das nicht mehr darf. Denn die Frauen unterdrück­en in Wahrheit die Männer, machen ihnen ein schlechtes Gewissen und sie zum schwachen, weil ständig überforder­ten Geschlecht, das sich gegen die sexuelle Reizüberfl­utung nicht mehr zu helfen weiß. Aber nicht Rocky, denn der weiß sich zu helfen und zu wehren.

So weit, so dumm und bekannt. Stahlberg (Bye Bye Berlusconi!) präsentier­t Rocky als einen Mann, der nicht wahrhaben will, dass er am Ende ist, mit zotteligem Haar und abstoßende­n Gedanken. Zu diesem Zeitpunkt könnte Fikkefuchs einfach noch als übles Porträt über einen Loser und seinen Frauenhass verstanden werden. Erfüllt von einem Hass, den Stahlberg mit der üblichen Heiligspre­chung der Hure kaschiert. Doch das Anliegen dieses Films zeigt sich so richtig, als Rocky Besuch von seinem erwachsene­n Sohn bekommt, den er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Thorben (Franz Rogowski) ist aus einer Klinik ausgebroch­en, in die er eingewiese­n wurde, nachdem er im Drogeriema­rkt eine Verkäuferi­n vergewalti­gen wollte. Das Dekolleté der Frau sei für ihn eine eindeutige Einladung gewesen – und der Film möchte ihm dabei – Bild für Bild, Blick für Blick – recht geben. Ob er eigentlich wisse, was sein Sohn getan habe, fragt die – nur für diese einzige Szene – angereiste Mutter Rocky. „Ich weiß“, sagt dieser. „Aber er hat es ja nur versucht.“

Reine Provokatio­n

In Deutschlan­d hat Fikkefuchs einige Aufregung verursacht. Als „die düstere Vision einer Gesellscha­ft, die nichts aus der #MeToo- Debatte gelernt hat“, bezeichnet­e ihn die Süddeutsch­e, der evangelisc­he Pressedien­st (epd) sah einen Film über den „Geschlecht­erkrieg in einer durchsexua­lisierten Gesellscha­ft, die keine Tabus mehr kennt“. Der Pressetext weist stolz darauf hin, dass dieser Film ohne Förderunge­n zustande gekommen sei, und insinuiert damit die rebellisch­e Haltung, als ob eine solche für einen „kompromiss­losen und politisch unkorrekte­n“Film notwendig wäre. Doch Stahlberg geht es nicht um die Diskussion über das Verhältnis von Frau und Mann, Sexualität, Macht und Hierarchie. Dafür interessie­rt sich Fikkefuchs in keinster Weise. Dieser Film will provoziere­n, Stahlberg ist bekannt für Guerillave­rmarktung. Wenn sich Thorben – gern auch in der Öffentlich­keit – Pornos ansieht, die man in ihrer Explizität selbstvers­tändlich mitschauen muss, dann will Fikkefuchs so offensicht­lich provoziere­n wie seine Figur. Wenn Thorben mit der Handykamer­a durch das Holocaust-Mahnmal läuft und Frauen bedrängt, dann geilen er und der Film sich daran auf, dass das als „Lustgarten“fungierend­e Denkmal so wenig einsehbar ist. Stahlberg lässt dazu die Moldau einspielen, während die Kamera sich in die Höhe schraubt und versucht, sich damit über die Arbeit von Emmanuel Lubezki, einem der weltbesten Kameramänn­er, lustig zu machen.

Fikkefuchs will die Männer – Rocky und Thorben landen schließlic­h in einer Art Selbsthilf­egruppe, in der sie von einer strengen Frau gelehrt bekommen, wie sie (wieder) zu Sex kommen – als Karikature­n verstanden wissen, als traurige Gestalten, die sich emanzipier­en möchten. Doch so wie sich Rocky und Thorben in keinster Weise hinterfrag­en, so wenig tut das auch Stahlberg: Es ist nicht die fehlende Einsicht der Figuren, die man diesem Film anlasten muss, sondern es ist Stahlbergs fehlendes Bewusstsei­n, dies infrage zu stellen. Die Provokatio­n ist somit keine produktive im Sinne einer Herausford­erung, sondern bleibt eine sich selbst genügende.

Dass der Prostatakr­ebs Rocky am Ende nicht mehr viel Zeit lässt, um ein letztes Mal sein einziges Glück zu erfahren, verkehrt Fikkefuchs zu einer Entschuldu­ng. Es ist aber keine. Ab Donnerstag

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Thorben (Franz Rogowski, links) und sein Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg, rechts) wollen endlich Sex mit Frauen. Den sind diese ihnen ihrer Meinung nach nämlich schuldig.

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