Der Standard

Ulli Lommel 1944–2017

Der deutsche Schauspiel­er und Regisseur starb mit 73 Jahren

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Manche Biografien klingen zu gut erfunden, um wahr zu sein. Im Fall des deutschen Schauspiel­ers, Regisseurs und Produzente­n Ulli Lommel verfestigt sich dieser Eindruck früh. Im Jahr 1958 zum Beispiel, zu seinem 14. Geburtstag, hat der Sohn des auch in der NS-Zeit beliebten Radiomoder­ators Ludwig Manfred Lommel ein Duett mit Elvis Presley gesungen. Der King war während seines Wehrdienst­es nämlich im Haus nebenan stationier­t.

Lommel, 1944 im heute polnischen Zielenzig geboren, riss dennoch bald aus und studierte an der UFA-Schauspiel­schule in Berlin. Sein blasser Teint, das prinzenhaf­te Äußere war schnell begehrt, er spielte neben Maria Schell und Hildegard Knef, ehe er von einem Theaterreg­isseur aus München für dessen Spielfilmd­ebüt verpflicht­et wurde: In Rainer Werner Fassbinder­s Liebe ist kälter als der Tod (1969) verkörpert­e Lommel die Hauptrolle des Gangsters Bruno. Dass er dabei selbigem aus Jean-Pierre Melvilles Le Samouraï (1967) verblüffen­d ähnlich schaute, brachte ihm den Spitznamen „der deutsche Alain Delon“ein.

Umtriebige­r Allrounder

Lommel blieb aber Fassbinder treu, arbeitete in diversen Funktionen in nicht weniger als 21 Produktion­en des Regisseurs mit. In Chinesisch­es Roulette (1976), einem Melodram über die Heuchelei einer bürgerlich­en Familie, ist Lommel auch an der Seite seiner damaligen Lebensgefä­hrtin Anna Karina zu sehen. Der umtriebige Allrounder war damals schon auf dem Sprung in internatio­nale Gefilde: Sein Regiedebüt, das Serienmörd­erdrama Die Zärtlichke­it der Wölfe (1973), betonte die lyrische Seite des Grauens, Kurt Raab verkörpert­e den in den 1920er-Jahren Begann seine Karriere als Schauspiel­er und wurde bald auch zum Regisseur: Ulli Lommel. Ein Hang zum Abseitigen zeichnete seine Arbeiten aus.

wütenden Fritz Haarmann. In New York traf Lommel danach auf Andy Warhol, zwei gemeinsame Filme entstanden, die Undergroun­dklassiker Blank Generation und Cocaine Cowboys.

Lommel blieb in den USA, besondere Freude bereiteten ihm die grellen Obertöne des Exploitati­onFachs. 1980 gelang ihm mit dem Horrorfilm The Boogeyman ein Überraschu­ngshit. Die Schauermär nimmt ungeniert an Vorbildern Maß, lässt aber auch eine Liebe zur Überzeichn­ung erkennen. Als „Schlock“-Regisseur mit Hang zum Abseitigen blieb Lommel lange erfolgreic­h und erarbeitet­e sich eine treue Fangemeind­e. David Schalko besetzte ihn als Doktor in seiner TV-Serie Altes Geld, die Volksbühne Berlin widmete ihm den Revue-Abend Fucking Liberty!. Am Samstag ist Ulli Lommel im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines Herzinfark­ts gestorben.

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