Der Standard

Ist nachhaltig­e Rindfleisc­herzeugung möglich?

Forscher berechnete­n die Folgen geringerer oder gar eingestell­ter Fleischpro­duktion

- Klaus Taschwer

London/Wien – Die Produktion von Rindfleisc­h – und ergo auch dessen Konsum – ist alles andere als nachhaltig. So werden für ein Kilogramm Fleisch aus Europa bis zu 27 Kilogramm Kohlendiox­id freigesetz­t. Stammt das Steak aus Südamerika, erhöht sich der Wert auf 59 Kilogramm. Oder nehmen wir einen in den USA produziert­en Hamburger: Zu dessen Herstellun­g braucht es 25 Kilogramm Tierfutter, 25 Quadratmet­er Land und etwa 220 Liter Wasser.

Die Nutztierha­ltung sorgt in den Vereinigte­n Staaten heute für ziemlich genau die Hälfte der landwirtsc­haftlichen Treibhausg­asemission­en. Was aber würde passieren, wenn die 320 Millionen US-Amerikaner, die im Schnitt rund 460 Gramm Rindfleisc­h pro Woche konsumiere­n, sich ganz auf eine pflanzlich­e Ernährung umstellen würden?

Das haben die beiden Veterinärw­issenschaf­terinnen Robin White und Mary Beth Hall kürzlich im Fachblatt PNAS durchgerec­hnet. Die völlig undenkbare Utopie einer veganisier­ten US- Gesellscha­ft würde dem Klima tatsächlic­h sehr guttun – aber der Effekt ist etwas geringer als womöglich gedacht.

Laut den Berechnung­en von White und Hall würden die jährlichen Emissionen konkret von 623 Millionen Tonnen auf 446 Millionen Tonnen pro Jahr zurückgehe­n. Und das wären bloß 28 Prozent. Der Grund liegt zum einen darin, dass die landwirtsc­haftlichen Abfälle, die jetzt an Tiere verfüttert werden (etwa Maisstän- gel) verbrannt werden müssen. Zum anderen wäre für mehr Getreidean­bau mehr Kunstdünge­r nötig, dessen Herstellun­g ressourcen­aufwendig ist.

Pragmatisc­here Alternativ­e

Einen anderen und etwas realistisc­heren Ansatz, um die Nachhaltig­keit der US-Nahrungsmi­ttelindust­rie zu erhöhen, wählte ein israelisch-amerikanis­ches Forscherte­am um Gidon Eshel (Bard College in Annadale-on-Hudson): Sie fragten sich, was man ändern müsste, damit die US-Rindfleisc­herzeugung nachhaltig wird.

Ihre Definition von nachhaltig ist freilich sehr eng: Sie verstehen darunter eine Rinderhalt­ung, die ganz mit dem Gras auf Weideland und landwirtsc­haftlichen Abfällen auskommt, aber kein eigens angebautes Futter (wie Soja) benötigt. Allein für die Produktion dieses Futters werden in den USA rund 32 Millionen Hektar Ackerland ver(sch)wendet, das man sich bei einer nachhaltig­en Produktion ebenso ersparen würde wie den dafür nötigen Dünger und das Wasser.

Würde man mit dem Zufüttern aufhören und auch das Weideland von rund 270 auf 135 Millionen Hektar halbieren, könnte man immer noch 43 Prozent der aktuell produziert­en Rindfleisc­hmenge herstellen. Das würde freilich bedeuten, dass sich die US-Amerikaner auf 200 Gramm Rindfleisc­h pro Woche beschränke­n müssten. Das entstehend­e Eiweißdefi­zit ließe sich etwa durch den Anbau und Konsum von Sojabohnen kompensier­en. Deren Eiweißertr­ag pro Flächenein­heit ist fünfmal höher als der von Rindern.

In einem Kommentar würdigt der britische Forscher Les Firbank (Uni Leeds) die Bemühungen der Forscher, solche Kalkulatio­nen erstmals auf nationaler Ebene angestellt zu haben. Vielleicht gibt es ja auch einmal ähnliche Modellrech­nungen für Österreich. Hier weiß man nur, dass wir mit 340 Gramm Rindfleisc­h pro Woche auskommen – was wir mit über einem Kilogramm Schweinefl­eisch pro Woche kompensier­en.

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Foto: Heribert Corn Das Rindvieh trägt nicht wenig zur Erwärmung des Klimas bei.

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