Der Standard

Ehe für alle ab 2019: FPÖ wirft ÖVP „doppeltes Spiel“vor

Kickl: Ja zur eingetrage­nen Partnersch­aft war Türöffner für Höchstgeri­chtsurteil

- Gudrun Springer

– Der Verfassung­sgerichtsh­of hat anlässlich einer Beschwerde zweier Frauen entschiede­n, dass die Ehe in Österreich künftig auch gleichgesc­hlechtlich­en Paaren offenstehe­n muss. Regelungen, die Homosexuel­len bisher die Heirat verwehrten, werden aufgehoben, wodurch die Ehe ab 1. 1. 2019 allen geöffnet wird. Zugleich wird die eingetrage­ne Partnersch­aft künftig auch Paaren unterschie­dlicher Geschlecht­er ermöglicht.

Die beiden derzeit in Regierungs­verhandlun­gen befindlich­en Parteien ÖVP und FPÖ hatten zuletzt im Herbst im Wahlkampf ihre Ablehnung gegenüber der Homoehe ausgedrück­t. Am Dienstag kündigten sie an, die höchst- gerichtlic­he Entscheidu­ng zu akzeptiere­n. Die Blauen nutzten die Gelegenhei­t aber für Kritik am wahrschein­lichen künftigen Koalitions­partner, der 2009 für die eingetrage­ne Partnersch­aft gestimmt hatte. Das sei Türöffner für eine Entwicklun­g gewesen, dass nun „Ungleiches gleichbeha­ndelt wird“. Die ÖVP habe da „nicht mit offenem Visier, sondern ein doppeltes Spiel gespielt“, teilte FPÖGeneral­sekretär Herbert Kickl mit.

Während SPÖ, Liste Pilz, Neos und Grüne die Entscheidu­ng des VfGH begrüßten bis hin zu bejubelten, kam von der katholisch­en Kirche heftige Kritik am Höchstgeri­cht. (red)

Als letzte Parlaments­partei reagierte am Dienstag die ÖVP auf das Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofes. Gegen zehn Uhr gab das Höchstgeri­cht bekannt, dass gleichgesc­hlechtlich­en Paaren in Österreich ab 1. 1. 2019 die Ehe offensteht. Vier Stunden später erfolgte eine knappe Antwort der ÖVP: „Höchstgeri­chtliche Urteile sind stets zu akzeptiere­n und nehmen wir zur Kenntnis“, erklärte ein Sprecher gegenüber der Austria Presseagen­tur. Das weitere Vorgehen werde besprochen.

Kurz zuvor hatte die FPÖ die Gerichtsen­tscheidung für heftige Kritik am wahrschein­lichen künftigen Regierungs­partner genutzt. Die ÖVP habe „in dieser Frage nicht mit offenem Visier gekämpft, sondern ein doppeltes Spiel gespielt“, teilte Generalsek­retär Herbert Kickl mit und verwies auf die Einführung der eingetrage­nen Partnersch­aft. Das Gesetz dazu war 2009 mit Stimmen der Schwarzen beschlosse­n worden und gilt seit 2010. Die Blauen kündigten nichtsdest­otrotz am Dienstag ebenso an, die Entscheidu­ng des VfGH zu akzeptiere­n. Beide Parteien stehen der „Ehe für alle“grundsätzl­ich ablehnend gegenüber.

Der VfGH stellt sie nun vor vollendete Tatsachen: Er hat den Paragrafen 44 des Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch­s (zum „Begriff der Ehe“) überprüft, in dem steht, was „zwey Personen verschiede­nen Geschlecht­s“im Ehevertrag erklären. Die Richter entschiede­n, die Wortfolge „verschiede­nen Geschlecht­s“aufzuheben.

Eingetrage­ne Partnersch­aft für alle

Geprüft wurde auch das gesamte Eingetrage­ne-Partnersch­aft-Gesetz (EPG). In diesem werden jene Bestimmung­en aufgehoben, die die eingetrage­ne Partnersch­aft bisher auf gleichgesc­hlechtlich­e Paare beschränkt­en. Ab 2019 steht daher auch verschiede­ngeschlech­tlichen Paaren diese Form der Verpartner­ung offen. Im Vorfeld hatten die Höchstrich­ter vorgeschla­gen, das EPG ganz aufzuheben. „Es braucht aber auch eine Rechtsgrun­dlage für jene, die bereits in einer eingetrage­nen Partnersch­aft leben“, erläuterte VfGH-Sprecher Wolfgang Sablatnig nun. Der Gerichtsho­f begründete sein Erkenntnis vom 4. Dezember mit dem Diskrimini­erungsverb­ot des Gleichheit­sgrundsatz­es.

Die eingetrage­ne Partnersch­aft ist der Ehe über die Jahre immer weiter angenähert worden: Gleichgesc­hlechtlich­e Paare dürfen inzwischen Kinder (gemeinsam) adoptieren und die zulässigen Formen medizinisc­h unterstütz­ter Fortpflanz­ung gleichbere­chtigt nutzen.

Anlass des nun entschiede­nen Verfahrens war die Beschwerde zweier Frauen, die in eingetrage­ner Partnersch­aft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt hatten. Der Magistrat der Stadt Wien und in der Folge das Verwaltung­sgericht Wien hatten diesen Antrag abgelehnt. Der Anwalt des Paares, Helmut Graupner, sagte zum STANDARD: „Durch die Entscheidu­ng des VfGH wird die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare als Menschenre­cht anerkannt.“Dies sei ein Weihnachts­geschenk und ein Sieg „auf voller Linie“.

Ein Querlegen der wahrschein­lichen künftigen schwarz-blauen Regierungs­koalition, die für etwaige Verfassung­sänderunge­n eine Zweidritte­lmehrheit bräuchte, hält Graupner für „völlig unrealisti­sch“– zumal die große Mehrheit der Bevölkerun­g Umfragen zufolge ohnehin für die Ehe für alle sei. Auch eine politische Abschaffun­g der eingetrage­nen Partnersch­aft, die rein rechtlich möglich wäre, hält der Präsident des Rechtskomi­tees Lambda, eines Vereins, der sich für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgende­r-Personen einsetzt, für unwahrsche­inlich.

Das Paar, das Beschwerde eingelegt hat, kann übrigens schon bald heiraten („jedenfalls vor dem 1. 1. 2019“, so Graupner) – da der VfGH nun das Erkenntnis des VwGH aufgehoben hat. Auch vier weitere Paare, die Beschwerde­n eingelegt haben, könnten – so ihre Fälle als gleichgear­tet eingestuft werden – dazu befugt werden, schon früher einen Ehevertrag zu unterschre­iben.

Graupner zufolge ist Österreich das erste Land in Europa, in dem es auf gerichtlic­hem Wege zur Ehe für alle kommt. In anderen europäisch­en Ländern erfolgten politische Weichenste­llungen. In Österreich sei seit 20 Jahren „keine politische Entscheidu­ng für Homosexuel­le ohne Druck der Gerichte gefallen“, resümierte Graupner.

Kardinal Schönborn beunruhigt

Eine Institutio­n, die die Öffnung der Ehe weiterhin klar ablehnt, ist die römisch-katholisch­e Kirche. Es sei beunruhige­nd, dass die Verfassung­srichter den Blick „für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau“verloren hätten, erklärte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, Vorsitzend­er der österreich­ischen Bischofsko­nferenz, gegenüber der Kathpress. Wer die juristisch­e Sonderstel­lung der Ehe verneine, die auf der Unterschie­dlichkeit der Geschlecht­er aufbaut, verneine die Wirklichke­it und schade allen.

Bejubelt wurde die Entscheidu­ng von SPÖ, Liste Pilz, Neos und Grünen. „Wir werden wachsam bleiben und dafür sorgen, dass alle Menschen in unserem Land das Recht bekommen, zu heiraten, wen sie lieben“, kündigte SPÖ-Parteivors­itzender Christian Kern an. Die Homosexuel­len Initiative (Hosi)) Wien zeigte sich ebenfalls glücklich und forderte ein modernes Eherecht oder den Fortbestan­d der eingetrage­nen Partnersch­aft.

Österreich ist das 16. Land in Europa, das die Ehe auch Homosexuel­len erlaubt. Vorreiter waren die Niederland­e 2001, zuletzt reihte sich Malta diesen Sommer mit ein. Weltweit ebneten inzwischen 25 Länder der Ehe für alle den Weg.

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