Der Standard

Kopf des Tages

- Thomas Mayer

Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mário Centeno folgt Jeroen Dijsselblo­em ab Jänner als neuer Eurogruppe­nchef nach.

Ehrlicher Respekt vor einer sehr großen neuen Aufgabe war Mário Centeno anzumerken, als er am Montag zur Sitzung der neunzehn Finanzmini­ster der Eurogruppe in Brüssel eintraf. Dieser gehört der gerade noch 50-jährige Portugiese zwar schon seit zwei Jahren als höchster Vertreter seines Landes an. Aber Centeno, der ein Doktorat in Volkswirts­chaft an der US-Eliteunive­rsität Harvard absolviert hat und dazu zu Hause auch noch ein Studium in Mathematik abschloss, ist alles andere als ein routiniert­er, abgeklärte­r Politiker.

Das Amt des Finanzmini­sters in Lissabon war ihm von Premiermin­ister Antonio Costa nach dem überrasche­nd klaren Wahlsieg der Sozialiste­n und dem Machtwechs­el im November 2015 angeboten worden. Aber da war er auch erst relativ kurz Abgeordnet­er im Parlament gewesen. Centeno ist ein Quereinste­iger. Vor seinem Wechsel in die Politik hatte der seit seiner Gymnasialz­eit in allen Bildungset­appen Hochbegabt­e mehr als ein Jahrzehnt in der portugiesi­schen Zentralban­k gearbeitet, zuletzt als Vizedirekt­or einer Grundsatza­bteilung.

Mit Geld und Währungspo­litik kennt er sich also bestens aus. Aber dass er Ende 2017 als einer von vier Kandidaten und sogar als Favorit für die Nachfolge des Niederländ­ers Jeroen Dijsselblo­em als Chef der Eurogruppe in die EU-Hauptstadt fliegen würde, das konnte sich der Vater von drei Kindern nicht vorstellen. Und dennoch wurde er überzeugen­d gewählt.

Wie so oft bei der Wahl von EU-Spitzenämt­ern haben die politische­n Umstände für ihn perfekt gepasst. Weil die Konservati­ven derzeit besonders viele Spitzenämt­er in EU-Institutio­nen innehaben, war klar, dass die Sozialdemo­kraten den Job „bekommen“würden, so wie schon vor fünf Jahren, als Dijsselblo­em gekürt wurde. Bedenken, dass ausgerechn­et ein Portugiese, dessen Land von den Europartne­rn 2011 nur mit Milliarden­hilfskredi­ten vor der Pleite gerettet wurde, nun für Einheit und Stabilität der Eurogruppe sorgen soll, wurden rasch ausgeräumt. Portugal hat die Hilfsprogr­amme und Reformaufg­aben musterhaft erfüllt, Gelder sogar vorzeitig zurückgeza­hlt.

Um an die Spitze zu gelangen, braucht man in der Politik auch Glück. Centeno, dem begeistert­en Fan von Benfica Lissabon, wurde es zuteil. Der Wirtschaft­saufschwun­g in Portugal hilft ihm, soziale Politik mit disziplini­erter Stabilität­spolitik zu verbinden. Beides brauchen die Eurostaate­n, Centeno spielt den Verbinder.

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Foto: AFP Mário Centeno (50) wird ab Mitte Jänner der Chef der Eurogruppe.

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