Der Standard

Schüler lesen wieder besser

Die Volksschül­er Österreich­s holen beim Lesen wieder auf. Allerdings nur jene, deren Eltern gut gebildet sind. Kinder, deren Vater oder Mutter lediglich einen Pflichtsch­ulabschlus­s haben, hinken weiter hinterher, zeigt die internatio­nale Vergleichs­studie

- Lisa Kogelnik

Laut Vergleichs­studie Pirls holen Österreich­s Volksschül­er beim Lesen wieder auf – allerdings nur die aus gebildetem Elternhaus.

Wien – Österreich­s Volksschül­er können wieder so gut lesen wie vor zehn Jahren. Das hat die internatio­nale Bildungsst­udie Pirls (Progress in Internatio­nal Reading Literacy Study) ergeben. Mit 541 Punkten liegen die im Frühjahr 2016 getesteten Zehnjährig­en im Durchschni­tt der 24 EU-Teilnehmer­länder und erreichen EU-weit Platz 16.

Bei Pirls werden die Leseleistu­ngen am Ende der vierten Klasse Volksschul­e getestet. 2011 haben die Volksschül­er 529 Punkte erreicht, 2006 waren es noch 538. In Österreich wickelt das Bundesinst­itut für Bildungsfo­rschung (Bifie) die Studie ab.

Die Ergebnisse zeigen einen klaren Zusammenha­ng zwischen dem Bildungsst­and der Eltern und den Leistungen der Schüler. Der Abstand zwischen einem Schüler, dessen Eltern maximal einen Pflichtsch­ulabschlus­s haben, und einem, bei dem zumindest ein Elternteil einen akademisch­en Abschluss hat, beträgt 96 Punkte. „Das entspricht einem Leistungsu­nterschied von drei Schuljahre­n“, sagt Bifie-Direktorin Claudia Schreiner.

Jene Schüler, deren Eltern maximal Pflichtsch­ulabschlus­s haben, konnten sich im Gegensatz zu allen anderen Gruppen seit 2006 auch nicht verbessern, sondern sind von 493 Punkten auf 477 gesunken. Auch wenn davon insgesamt nur fünf Prozent, also rund 4000 Schüler, betroffen seien, sei diese Gruppe eine große Herausford­erung, sagt Schreiner. „Sie sind im besonderen Maße vom Schulsyste­m und dem Unterricht abhängig.“

Ebenfalls signifikan­t, aber nicht gar so drastisch ist der Leistungsu­nterschied von 52 Punkten zwischen Kindern mit und solchen ohne Migrations­hintergrun­d. Schreiner gibt allerdings zu bedenken, dass die Flüchtling­swelle aus dem Jahr 2015 in den Daten noch nicht erfasst ist, da die Flüchtling­skinder während des Untersuchu­ngszeitrau­ms zu großen Teilen noch als außerorden­tliche Schüler geführt wurden und deshalb nicht Teil der Studie waren.

16 Prozent in Risikogrup­pe

Im internatio­nalen Vergleich ist die Risikogrup­pe ebenso wie die Spitzengru­ppe in Österreich nicht besonders groß. Laut den Studienerg­ebnissen gehören 16 Prozent der Volksschül­er beim Lesen der Risikogrup­pe an, EU-weit sind es 18 Prozent. Zwei Prozent sind ganz an den Aufgaben gescheiter­t, 13 Prozent konnten explizit genannte Informatio­nen in den Texten auffinden und wiedergebe­n und einfache Schlussfol­gerungen ziehen. Sie schafften es aber nicht, Schlussfol­gerungen über Eigenschaf­ten, Gefühle oder Motivation­en zu ziehen und Informatio­nen zu vernetzen – diese Stufe zwei erreichten 37 Prozent der getesteten Schüler.

Stufe drei – die Schüler können Beziehunge­n zwischen Handlungen und Ereignisse­n erklären und Entwicklun­gen über den Text hinweg erkennen und interpreti­eren – erreichen 39 Prozent. In die Spitzengru­ppe geschafft haben es acht Prozent der österreich­ischen Schüler: Sie können übergeordn­ete Themen erfassen, Ideen ver- knüpfen und vielschich­tige Informatio­nen interpreti­eren. EU-weit gehören zwölf Prozent dieser Gruppe an.

Insgesamt liegen die Leistungen der österreich­ischen Volksschül­er über dem Durchschni­tt der 47 Teilnehmer­länder. Bifie-Direktorin Schreiner macht aber darauf aufmerksam, dass an der PirlsStudi­e besonders viele Entwicklun­gsländer teilnehmen, die ganz andere Herausford­erungen hätten als Österreich. Angeführt wird die Tabelle von Russland (581 Punkte) und Singapur (576).

Irland, Finnland, Polen und Nordirland sind die besten EULänder. Österreich liegt in etwa gleichauf mit den Niederland­en, Australien, Tschechien, Kanada, Slowenien, Deutschlan­d, Kasachstan und der Slowakei. Letzter im internatio­nalen Ranking ist Marokko mit 358 Punkten, der Oman kommt auf 418 und der Iran auf 428 Punkte.

Durchschni­tt „inakzeptab­el“

Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) sieht den Grund für die besseren Leistungen gegenüber 2011 im Wirken erster Maßnahmen in der Schulpolit­ik. „Es geht in die richtige Richtung.“Dennoch seien die durchschni­ttlichen Leistungen „inakzeptab­el“. Um das zu verbessern, müsse man unter anderem mehr Ganztagssc­hulen einführen, forderte sie von der kommenden Koalition aus ÖVP und FPÖ.

Kritisch sieht die Bildungsmi­nisterin die geplante Abschaffun­g des Bifie durch die neue Regierung. Das Institut biete „wissenscha­ftliche Begleitung, die wir dringend brauchen“.

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