Mühsamer Start für die tschechische Regierung
Andrej Babiš hat als neuer Premier zunächst weder ein Kabinett noch den nötigen Rückhalt im Parlament
ANALYSE: Prag/Wien – Mehr als sechs Wochen nach der Parlamentswahl ist die Regierungsbildung in Tschechien eigentlich auf der Zielgeraden. Präsident Miloš Zeman hat angekündigt, Wahlsieger Andrej Babiš heute, Mittwoch, zum Premierminister zu ernennen. Die Sache hat allerdings gleich zwei Haken: Babiš, Ex-Finanzminister und Chef der liberal-populistischen Partei Ano, wird zunächst ein Regierungschef ohne Regierung sein – und er hat für eine solche auch noch gar keine feste Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
Ersteres mag befremdlich klingen, entspringt aber einer Besonderheit der tschechischen Verfassung: Die Ernennung eines Premiers ohne Minister ist quasi eine Zwischenstufe auf dem Weg vom Regierungsbildungsauftrag zur Angelobung des Kabinetts. Für kurze Zeit gibt es dann sogar zwei Regierungschefs: einen, der seine Ernennung schon fix in der Tasche hat und nur noch die Ministerliste nachreichen muss – und einen, der mit dem alten Team das Land einstweilen weiterverwaltet. In diesem Fall also den Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka, dessen Partei bei der Wahl auf 7,3 Prozent abgestürzt ist.
Die Angelobung des Kabinetts ist erst für nächsten Mittwoch geplant. Doch auch danach dürften wohl kaum klare Verhältnisse ein- kehren. Ano hat im 200 Sitze zählenden Abgeordnetenhaus nur 78 Mandate, ist von einer absoluten Mehrheit also weit entfernt. Die Partei kann derzeit auch weder Koalitionspartner noch die Unterstützung für eine Minderheitsregierung vorweisen. Präsident Zeman ist das egal. Er pflegt gute Beziehungen zu Babiš und bewirbt sich im Jänner um die Wiederwahl als Staatsoberhaupt. Dafür wird er die Stimmen von Ano-Wählern brauchen, die Ernennung von Babiš zum Premier dürfte ihm da einige Pluspunkte bringen.
Ungewöhnliche Allianz
Ausgerechnet die Kommunisten haben als Einzige signalisiert, der Regierung des Milliardärs Babiš, der als zweitreichster Tscheche gilt, eventuell das Vertrauen auszusprechen. Für eine Mehrheit würde aber auch das nicht reichen. Und dann ist da noch die fremden- und EU-feindliche Partei „Freiheit und direkte Demokratie“, angeführt vom Tschechojapaner Tomio Okamura, die sich eine Zusammenarbeit mit Babiš vorstellen könnte – allerdings nur, wenn sie auch selbst in der Regierung vertreten ist. Das wiederum will der Pragmatiker Babiš nicht, der zwar in der EU Reformbedarf sieht, aber politisch meilenweit entfernt ist von Anti-EU-Ideologen wie etwa Jarosław Kaczyński, dem starken Mann Polens.
Sozialdemokraten, konservative Parteien und Piraten wollen Babiš überhaupt nicht in der Regierung. Wichtigster Grund: Babiš wird als Unternehmer von der Polizei des EU-Subventionsbetrugs beschuldigt. Er selbst weist die Vorwürfe zurück, hat vor der Wahl wegen der Causa allerdings seine parlamentarische Immunität verloren – und nach der Wahl automatisch wiederbekommen.
Sein Kabinett hat Babiš schon beisammen. Es besteht aus AnoMinistern der bisherigen Regierung mit Sozial- und Christdemokraten, weiteren Ano-Politikern und parteilosen Experten. Außenminister wird der Schauspieler und Diplomat Martin Stropnický, derzeit Verteidigungsminister.
Selbst wenn Babiš genügend Mandatare für die Tolerierung seiner Minderheitsregierung gewinnen kann, wäre das keine Garantie für die Zeit danach. Erste Verwerfungen zeigen sich bereits. Die Kommunisten etwa wollen ihren Abgeordneten Zdeněk Ondráček als Chef der Kommission zur Kontrolle der Sicherheitskräfte installieren. Ondráček war 1989 vor der Samtenen Revolution als Polizist an der Niederschlagung einer regimekritischen Kundgebung beteiligt. Die Demonstranten stellte er dann im Staatsfernsehen als gewaltbereite Radaubrüder dar und erlangte so ein paar Minuten Berühmtheit.
Die Babiš-Partei Ano sträubt sich gegen Ondráček, die Kommunisten jedoch zeigen sich beharrlich – ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie wackelig das Kabinett Babiš sein könnte, sofern es denn überhaupt das Vertrauen des Parlaments erhält. Auch wenn die Regierungsbildung also auf der Zielgeraden ist: Die letzte Runde auf dem Weg zu politischer Stabilität nach der Wahl ist in Tschechien noch lange nicht gelaufen.