Der Standard

Einigkeit über Uneinigkei­t zwischen USA und EU

Washington will in Sachen Iran, Jerusalem und Nordkorea mit Handlungen Tatsachen schaffen, die zumeist nicht im Interesse der Europäer liegen. Diese wollen ihre Ziele nach wie vor lieber mit Diplomatie erreichen.

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Spätestens seit dem Amtsantrit­t von Donald Trump als US-Präsident wird immer wieder deutlich, wie diametral manche außenpolit­ische Ansichten Washington­s und Brüssels auseinande­rliegen. Das bekam man auch am Dienstag vor Augen geführt, als US-Außenminis­ter Rex Tillerson zum Auftakt seiner Europareis­e – die ihn auch nach Wien führen wird – der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini die Aufwartung machte.

Während sich die Italieneri­n bei einem gemeinsame­n Pressestat­ement (Fragen waren keine zugelassen) ein Mal mehr demonstrat­iv hinter den internatio­nalen Atomdeal mit dem Iran stellte und auf die Einhaltung der Vereinbaru­ng pochte, verwies Tillerson auf „destabilis­ierende Aktionen“Teherans in der Region – etwa durch die Unterstütz­ung der schiitisch­en Huthi-Rebellen im Jemen

(siehe Artikel unten) oder auch der schiitisch­en Hisbollah. Außerdem liefere der Iran Waffen an das syrische Regime. Das alles dürfe von der Internatio­nalen Gemeinscha­ft nicht ignoriert werden, das alles liefere Argumente, um das internatio­nale Abkommen mit dem Iran zu kippen.

EU-Warnung an die USA

Mogherini sah das nicht so und verwies auf die in Wien ansässige internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEO. Diese habe Teheran bereits mehrmals die Einhaltung des Abkommens bestätigt. „Ein jetziges Aufkündige­n des Deals“, so Mogherini, „würde uns in keine bessere Position bringen.“

Tillerson dürfte das Thema auch am Donnerstag und Freitag beim Gipfel der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) in Wien zur Sprache bringen – und dafür wohl wenig Zustimmung finden.

Ein zweites Thema, bei dem sich Tillerson und Mogherini bloß darauf einigen konnten, uneinig zu sein, betraf Trumps schon vor Monaten mit großen Tönen bekanntgem­achte Pläne, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Die israelisch­e Zeitung Haaretz informiert­e am Dienstagab­end darüber, dass Trump gegenüber Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas diese Pläne bereits bestätigt hat. Dies käme einer Unterstütz­ung von Israels Anspruch auf Jerusalem als Hauptstadt gleich. Dagegen häufen sich in der muslimisch­en Welt die Proteste. Der Status von Jerusalem gilt als einer der größten Streitpunk­te im Nahostkonf­likt: Kein Land erkennt bisher Jerusalem als Hauptstadt an, da die Palästinen­ser den Ostteil selbst als Hauptstadt ihres Staates Palästina beanspruch­en.

Nach Warnungen seitens der Arabischen Liga und der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on (PLO) setzte der türkische Präsident Tayyip Erdogan am Dienstag noch eins drauf und drohte: „Herr Trump, Jerusalem ist eine rote Linie für die Muslime!“Im Fall einer Statusände­rung von Jerusalem erwäge Ankara den Abbruch der Beziehunge­n zu Israel, denn: Die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels wäre nicht nur ein Verstoß gegen internatio­nales Recht, sondern „ein harter Schlag gegen das Gewissen der Menschheit“.

EU-Außenbeauf­tragte Mogherini riet auch in dieser Angelegen- heit zur Vorsicht und sprach sich erneut für eine Verhandlun­gslösung aus. Ähnlich hatte sich auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron am Montag in einem Telefonat mit Trump geäußert.

Nordkorea und Nato

Einen weiteren heiklen Punkt wollte Tillerson am Dienstagab­end bei einem gemeinsame­n Abendessen mit den Nato-Ministern in Brüssel in Angriff nehmen: den Umgang mit den Provokatio­nen aus Nordkorea in Form von Raketentes­ts und Atomkriegs­drohungen. Auch hier pflegt Tillersons Chef Trump eine härtere Rhetorik als die Europäer. Unterdesse­n versucht UN-Vizegenera­lsekretär Jeffrey Feltman in Pjöngjang die Wirkkraft der Diplomatie zu stärken. (gian, APA, AFP)

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Der Besuch von US-Außenminis­ter Rex Tillerson (li.) bei der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini (re.) machte wieder etliche Differenze­n deutlich.

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