Der Standard

EU-Haftbefehl für Puigdemont zurückgezo­gen

Spanischer Antrag bleibt bestehen – Justiz in Madrid misstraut wohl jener in Belgien

- Reiner Wandler aus Madrid

Das Oberste Gericht Spaniens hat die europäisch­en Haftbefehl­e gegen den katalanisc­hen Ex-Premier Carles Puigdemont und vier seiner Minister zurückgezo­gen. Sie hatten sich nach ihrer Amtsentheb­ung nach Belgien abgesetzt und folgten einer richterlic­hen Vorladung am 3. November nicht. Die nationalen Haftbefehl­e bleiben bestehen: Sobald die Betroffene­n spanisches Gebiet betreten, werden sie verhaftet und dem Tribunal Supremo vorgeführt.

Puigdemont und seine Regierung werden der „Rebellion“, des „Aufstands“und der „Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder“beschuldig­t. Insgesamt stehen darauf bis zu 55 Jahre Haft. Puigdemont und Co hielten trotz Verbots am 1. Oktober eine Volksabsti­mmung über die Unabhängig­keit ab. Am 27. Oktober rief das katalanisc­he Parlament die Unabhängig­keit aus.

Skepsis gegenüber Brüssel

Richter Pablo Llarena begründet die Entscheidu­ng damit, dass die fünf bei den katalanisc­hen Regionalwa­hlen am 21. Dezember kandidiere­n und bekundet hätten, ihren Parlaments­sitz einnehmen zu wollen. Doch damit nicht genug: Llarena, der am Montag gegen weitere vier Angeklagte – darunter den Vizeregier­ungschef unter Puigdemont, Oriol Junqueras – die U-Haft aufrechter­hielt, befürchtet, dass Belgien dem Haft- befehl nur teilweise stattgeben würde.

Die Justiz in Brüssel wollte am 14. Dezember entscheide­n. Es war vor allem fragwürdig, ob die Belgier Straftaten wie „Rebellion“und „Aufstand“anerkennen würden. Weitere elf Angeklagte befinden sich gegen Kaution auf freiem Fuß – allesamt Minister Puigdemont­s oder Mitglieder des Präsidiums des katalanisc­hen Parlaments.

Eine Auslieferu­ng, die nur einen Teil der Straftaten anerkennen würde, derentwege­n Llarena ermittelt, hätte Folgen für den gesamten Prozess gehabt. Denn die Anklage geht davon aus, dass Regierung, Parlament sowie die beiden Bürgerbewe­gungen Katalanisc­he Nationalve­rsammlung und Òmnium (deren Anführer weiterhin in U-Haft sitzen) gemeinsam den Plan hin zur Unabhängig­keit verfolgt haben. Llarena bekundet, er wolle Ungleichbe­handlung zwischen jenen, die sich dem Richter stellten, und jenen, die sich ins Ausland absetzten, vermeiden.

„Spanien hatte Angst vor der möglichen Entscheidu­ng der belgischen Justiz“, erklärt Anwalt Gonzalo Boye, der das Verteidige­rteam der fünf Politiker in Brüssel zusammenge­stellt hatte. „Er gesteht damit ein, dass das Verfahren alles andere als seriös ist“, fügte Boye hinzu.

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Wahlkampf aus der belgischen Ferne: Carles Puigdemont.

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