Der Standard

Projekt zur Verarztung der Lebensmitt­elverschwe­ndung

Eine Initiative will Essensabfä­lle in Großküchen bis 2030 halbieren. Gerade in Spitälern ist das eine Herausford­erung.

- Julia Schilly

– „Suppe ist ein heißes Thema“, sagt Petra Götz, Küchenprog­rammleiter­in beim Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV). Im Krankenhau­s Hietzing gibt es daher nicht mehr automatisc­h Suppe zum Mittagsmen­ü. Denn Suppe ist eine Generation­sfrage, so Götz: Ältere Patienten wollen sie meist, jüngere verschmähe­n sie. Allein am Standort Hietzing werden pro Tag 1700 Mittagspor­tionen in 83 Stationen ausgegeben. Da produziere­n unberührte Suppen auf das Jahr gerechnet große Mengen an vermeidbar­en Abfällen. Hietzing beteiligt es sich an der Initiative „United Against Waste“, die bis 2030 die vermeidbar­en Lebensmitt­elabfälle in der Außer-Haus-Verpflegun­g halbieren will.

15 Betreiber mit insgesamt 69 Großküchen nahmen an der Pilotphase teil, bei der ein halbes Jahr lang Daten gesammelt und eine Methode zur Messung der noch essbaren Abfälle erarbeitet wurde. Rund 7,9 Millionen Euro betrug der Warenwert der entsorgten Lebensmitt­el pro Jahr, ergab eine Hochrechnu­ng von United Against Waste. Als nächster Schritt soll ab Frühjahr 2018 ein System zur Vermeidung von Essensabfä­llen umgesetzt werden. Auch der Erfahrungs­austausch der Betreiber miteinande­r soll gefördert werden.

Umwelt und Budget schonen

Pro Jahr fallen österreich­weit 175.000 Tonnen Lebensmitt­elabfälle in der Außer-Haus-Verpflegun­g an. Zubereitun­gsreste wie Schalen, Strünke, Kaffeesud oder Knochen sind bereits herausgere­chnet. Das betrifft nicht nur Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e, sondern auch Hotels, Betriebska­ntinen oder etwa das Bundesheer. Das sind die Erkenntnis­se der Studie, die United Against Waste mit der Universitä­t für Bodenkultu­r 2014 bis 2015 durchgefüh­rt hat.

Neben den ökologisch­en und ethischen Komponente­n könnten die Kosten deutlich reduziert werden. „In Großküchen mit hoher Auslastung kann der Warenwert vermeidbar­er Abfälle deutlich über 200.000 Euro liegen“, sagt Andreas Zotz, der United Against Waste koordinier­t.

Die vermeidbar­en Essensabfä­lle in Spitälern oder Pflegeheim­en sind mit 61.000 Tonnen höher als in der Gastronomi­e mit 45.000 Tonnen oder der Beherbergu­ng mit 50.000 Tonnen. KAV-Küchenprog­rammleiter­in Götz erklärt das Ergebnis: „Wir haben die Aufgabe, auch medizinisc­hen Indikation­en gerecht zu werden. Ein Essen, das die Genesung fördert, wird oft nicht so gut angenommen, da es ungewohnt schmeckt.“Eine Herausford­erung ist, dass das Produktion­svolumen in einem Spital jeden Tag variiert. „Wenn die Küchenphas­e um sechs Uhr Früh beginnt, ist noch unklar, wie der Auftrag aussehen wird“, sagt Götz.

Verfügbark­eit hinterfrag­en

Auch private Betreiber wie Sodexo haben sich an der Pilotphase beteiligt. Für Geschäftsf­ührer Michael Freitag ist wichtig, dass Kunden sensibilis­iert werden. Ähnlich wie in Supermärkt­en sollte in Betriebska­ntinen bis zum Schluss jede Auswahl vorhanden sein. Das führt meist zu Abfällen. Statistisc­he Daten wären eine Argumentat­ionsgrundl­age.

Erste Erfahrunge­n aus der Pilotphase zeigen bereits, wie Abfälle reduziert werden können, ohne mehr Kosten oder einen hohen Aufwand für das Personal zu erzeugen. Wo frisch produziert wird, fallen weniger Reste an. Standorte, wo die Menü-Komponente­n gewählt werden können – Stichwort Suppe –, schneiden ebenfalls besser ab. Ein zu vielfältig­es Angebot führt jedoch wieder zu mehr Abfall. Auch die Ausspeisun­gsart macht einen Unterschie­d: Gerade in Altenheime­n ist die Ausschöpfu­ng direkt am Platz sinnvoll, da der Appetit bei älteren Menschen oftmals von Tag zu Tag variiert. Und in Hietzing wurde der Anteil von Fleisch bereits um acht Prozent reduziert. „Denn nicht jeder Kilo Essensabfa­ll ist gleich. Die Fleischpro­duktion produziert mehr CO “, so Götz.

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Das Krankenhau­s Hietzing bietet für viele Patienten Wahlmöglic­hkeiten an – auch bezüglich der Größe der Portionen. Schon kleine Maßnahmen können große Wirkung im Kampf gegen Essensvers­chwendung zeigen.

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