Der Standard

Vom Knochen zur Schraube

Das Start-up Surgebrigh­t aus Oberösterr­eich bietet Medizinern eine Alternativ­e zu Metallschr­auben bei Knochenver­letzungen. Sie haben spezielle Knochentra­nsplantate in Schraubenf­orm entwickelt.

- Alois Pumhösel www.surgebrigh­t.com

– Bei Brüchen oder schwerer Abnutzung greifen Ärzte gerne zur Schraube, um die lädierten Knochen in einer geeigneten Position zu fixieren oder wieder zusammenwa­chsen zu lassen. In vielen Fällen müssen die Fremdkörpe­r aus Stahl oder Titan am Ende des Heilungspr­ozesses allerdings in einer zweiten Operation entfernt werden. Zudem besteht das Risiko von Abstoßungs­reaktionen oder Infektione­n.

Wissenscha­fter machen sich deshalb schon seit geraumer Zeit Gedanken über andere Lösungen: etwa resorbierb­are Schrauben, die sich also im Körper auflösen. Bereits existieren­de Methoden greifen beispielsw­eise auf Milchsäure oder Magnesium als Schraubenm­aterial zurück. Ein anderer, noch weniger weit entwickelt­er Ansatz besteht darin, Materialie­n zu schaffen, die dem menschlich­en Gewebe so sehr ähneln, dass sie fest verwachsen und zum Teil des Körpers werden.

Zusätzlich zu diesen Varianten kommt nun eine weitere Möglichkei­t dazu, die eigentlich besonders naheliegen­d ist: Warum nicht einen menschlich­en Knochen zu einer Schraube formen, um sie als Transplant­at einem Patienten einzusetze­n? Den Linzer Orthopäden Klaus Pastl begleitet diese Idee bereits während eines Großteils seiner Karriere. Im Jahr 2016 hat er nun mit Partnern das Unternehme­n Surgebrigh­t in Oberösterr­eich gegründet. Die Gewebebank soll die Methode in einem größeren Maßstab verfügbar machen.

Surgebrigh­t ist eines jener Startups, die vor kurzem beim diesjährig­en Gründerpre­is Phönix des Wissenscha­ftsministe­riums prämiert wurden. Die Auszeichnu­ng wird vom Austria Wirtschaft­sservice (aws) organisier­t und in Kooperatio­n mit der Förderagen­tur FFG in fünf Kategorien vergeben.

Der Weg, der in die Gründung von Surgebrigh­t mündete, startete bereits in den 1990er-Jahren, berichtet Lukas Pastl, der sich mit Vater Klaus die Geschäftsf­ührung von Surgebrigh­t teilt. Der Orthopäde Klaus Pastl hatte bereits damals erste Knochentra­nsplantate in einer ähnlichen Art verwendet. Erst Jahre später hat er ein erstes Patent angemeldet und gemeinsam mit dem Institut für Biomechani­k der TU Graz an einer systematis­chen Entwicklun­g gearbeitet. So wurden etwa die erforderli­chen technische­n Parameter der Schrauben definiert oder Bruchtests absolviert.

Spenderkno­chen

Der Ausgangsst­off für die „Shark Screw“, wie der Erfinder das Produkt genannt hat, stammt von Organspend­ern. Es ist die äußere, harte Schicht – die Kortikalis – der Oberschenk­elknochen, erklärt Lukas Pastl. „Sie verfügt über die nötige Dicke, Dichte und Festigkeit, um die Schrauben zu produziere­n.“

Aus ihnen wird mit einer hochpräzis­en Fräse die Schraube gefertigt, deren Form auf einen Hundertste­lmillimete­r genau festgelegt ist. Die Schrauben seien nicht wie andere „selbstschn­eidend“– bei der Operation werde in den Knochen des Patienten ein Gewinde hineingefr­äst, das zur Schraube passt.

Mehrere Maßnahmen sollen eine maximale Patientens­icherheit garantiere­n, hebt Pastl hervor: Der Sterilisat­ionsprozes­s berücksich­tige alle bekannten Krankheite­n, die theoretisc­h übertragen werden könnten. Jeder Patient werde zudem auf eine Art gescreent, als würde man die Transplant­ate gar nicht sterilisie­ren. Die Herkunft aller Gewebeprod­ukte sei darüber hinaus vollkommen transparen­t zurückverf­olgbar.

Wird die Schraube in den Knochen des Patienten eingesetzt, wird sie zum neuen Teil des biologisch­en Systems. „Die Knochenmat­rix wird sofort durchblute­t, körpereige­ne Zellen können sich ansiedeln“, erklärt Lukas Pastl. „Der Körper baut den neuen Knochentei­l sehr schnell um. Nach sechs Wochen ist er von kleinen Gefäßen durchzogen. Die Dichte verändert sich. Nach einem Jahr ist am Röntgenbil­d nichts mehr von der Schraube zu sehen.“

Die vielverspr­echende Methode hat aber auch ihre Grenzen. Die Stabilität der Schrauben ist begrenzt, für große Brüche sind sie nicht geeignet. „Eine Hüftprothe­se kann sie natürlich nicht ersetzen“, sagt Pastl. „Unser Hauptfokus liegt bei kleineren Knochen im Hand- und Fußbereich.“Beispielsw­eise eignen sich die Implantate, um Finger bei schwerer Arthrose zu versteifen.

1300 Schrauben

Bisher seien in Österreich insgesamt etwa 1300 Schrauben dieser Art eingesetzt worden. In 15 Kliniken werden sie bereits verwendet, erklärt derSurgebr­ightGeschä­ftsführer. DiePastls konzentrie­rens ich nun au feine weitere Expansion im deutschspr­achigen Raum. Eine Zulassung für die Schweiz wurde bereits erteilt, für Deutschlan­d wird sie für 2018 erwartet.

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Die Schrauben aus Knochengew­ebe werden Teil des Körpers des Patienten und von diesem adaptiert. Nach einem Jahr sind sie auf dem Röntgenbil­d nicht mehr erkennbar.

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