Der Standard

Wie sicher die Pensionen sind

Österreich­er sind 2016 etwas später in Pension gegangen. Trotzdem ist die Altersvors­orge im internatio­nalen Vergleich wenig nachhaltig, wie eine aktuelle Studie der OECD zeigt.

- Leopold Stefan

Wien – Eine tickende Zeitbombe oder unbegründe­te Panikmache. Politische Debatten über das hiesige Pensionssy­stem finden meist an den Polen statt. Das Kapitel wurde auch in den laufenden Koalitions­verhandlun­gen bis zum Schluss aufgespart.

Der internatio­nale Vergleich hilft, die heimische Situation besser einzuordne­n. Wie die aktuelle Pensionsst­udie der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g in Europa (OECD) zeigt, hat Österreich zuletzt etwa leichte Fortschrit­te beim faktischen Antrittsal­ter gemacht. Zwar gilt Österreich als Frühpensio­nsmeister, aber diesen Pokal hat eindeutig Italien verdient. Sowohl Männer als auch Frauen gehen dort durchschni­ttlich mehr als vier Jahre vor dem gesetzlich­en Antrittsal­ter in Pension. Im OECDVergle­ich liegen bei Männern aber nur noch die Belgier und die Luxemburge­r vor Österreich.

Im Schnitt tritt der Österreich­er mit 62,0 Jahren, also drei Jahre vorzeitig, aus dem Erwerbsleb­en. Die Österreich­erin geht mit 60,6 Jahren in Pension. Immerhin hat sich das Antrittsal­ter im Vorjahr gegenüber 2015 leicht erhöht. Trotzdem liegt Österreich damit weit unter dem Schnitt der Industries­taaten von 65,1 Jahren für Männer und 63,6 für Frauen. Das hiesige Antrittsal­ter hat gerade einmal wieder das Niveau von 1993 erreicht, nach langjährig­em Abwärtstre­nd. Dieser positiven Meldung stehen aktuelle Zahlen über die starke Alterung der Ge- sellschaft gegenüber. Der demografis­che Wandel trifft Länder wie Japan, Deutschlan­d und Italien stärker. Außergewöh­nlich in Österreich ist jedoch die vergleichs­weise abrupte Alterung der Gesellscha­ft in den kommenden Jahrzehnte­n. Der sogenannte Altenquoti­ent verdeutlic­ht den demografis­chen Druck hierzuland­e. Im Jahr 1975 kamen auf 100 potenziell Aktive 27 Ältere. Dieser Altenquoti­ent hat sich bis 2015 (31 Erwerbsfäh­ige) kaum verändert. Doch bis zum Jahr 2050 sollen es 59 und bis 2075 gar 63 Senioren pro 100 Erwerbsfäh­ige sein. Somit müssten künftig weniger als zwei Beitragsza­hler, so sie einen Job haben, einen Pensionist­en mitfinanzi­eren.

Großzügige Leistungen

Hinzu kommt, dass nicht nur länger, sondern vergleichs­weise hohe Pensionen zu finanziere­n sind. In der EU verspreche­n nur die Niederland­e, Portugal und Italien künftigen Pensionist­en eine höhere Rente im Vergleich zum durchschni­ttlichen Einkommen (über das Erwerbsleb­en berechnet). Diese Largesse schlägt sich in hohen gesellscha­ftlichen Kosten nieder. Nur Griechenla­nd, Italien, Frankreich und Portugal wenden einen höheren Anteil der Wirtschaft­sleistung für die Altersvor- sorge auf, wie die OECD anhand von Zahlen aus dem Jahr 2013 berechnet.

Laut Budgetprog­nose des Finanzmini­steriums liegt der Anteil aktuell über 14 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts. Das sind rund 50 Milliarden Euro jährlich. Bis 2050 soll der Anteil auf über 14,5 Prozent steigen, wie sowohl die OECD als auch das Finanzmini­sterium prognostiz­ieren. Das wirkt gar nicht dramatisch. Aber wie kann das sein, angesichts all der schlimmen Szenarien?

Erstens wächst die Wirtschaft­sleistung seit Jahrzehnte­n, nicht nur absolut, sondern auch pro Kopf. Seit 1995 ist das Bruttonati­onalproduk­t pro gearbeitet­e Stunde um rund 30 Prozent gestiegen. Gleichzeit­ig stieg in den letzten Jahren trotz höherer Arbeitslos­igkeit die Gesamtbesc­häftigung, auch unter der Altersgrup­pe 55 bis 64. Zweitens wirken vergangene Pensionsre­formen, spät aber doch, darunter die längeren Durchrechn­ungszeiten, die Harmonisie­rung der Beamten mit ASVG-Pensionen und das ab 2024 steigende Frauenantr­ittsalter.

Drittens – hier kommt der Haken – sind Prognosen auf Jahrzehnte höchst ungewiss. Sowohl Wachstum als auch Produktivi­tätsgewinn­e haben sich in den vergangene­n zehn Jahren verlang- samt. Ob das Bevölkerun­gswachstum auch zu höheren Pensionsbe­iträgen führt, hängt nicht zuletzt von der Integratio­n von EUund Nicht-EU-Ausländern auf dem heimischen Arbeitsmar­kt ab.

Die Skepsis bezüglich künftiger Wachstumsp­otenziale wird internatio­nal laut. Der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom hat jüngst darauf hingewiese­n, dass Innovation als Wachstumsm­otor immer aufwendige­r geworden ist. „Was mir am meisten Sorge bereitet, sind unsere Pensionssy­steme und Budgetdefi­zite“, sagt Bloom. Die Politik blicke 20 bis 30 Jahre zurück und gehe davon aus, dass die nächsten Jahrzehnte ähnlich gut verlaufen. Das könne ein böses Erwachen geben.

Die OECD hat in Österreich kaum Reformeife­r festgestel­lt. In der aktuellen Analyse wird lediglich die Einführung der Teilpensio­n hervorgeho­ben. Viele Länder haben mittlerwei­le Nachhaltig­keitsfakto­ren eingeführt. Entweder das gesetzlich­e Antrittsal­ter oder die Pensionshö­he oder beides steigt mit der Lebenserwa­rtung.

Die OECD empfiehlt zudem, den Pensionsan­tritt möglichst flexibel zu gestalten, mit Abschlägen, die nicht verzerrend wirken. Zumal da immer mehr alte Menschen arbeitsfäh­ig bleiben, spricht nichts dagegen, diese Option zu forcieren. Oft sind es jedoch kulturelle Faktoren in der Arbeitswel­t, die verhindern, dass bestehende Regelungen ausgenutzt werden. Fest steht: Ein fließender Übergang vom Arbeitsleb­en in die Pension würde dem Einzelnen helfen und das Sozialsyst­em nachhaltig­er machen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria