Wie sicher die Pensionen sind
Österreicher sind 2016 etwas später in Pension gegangen. Trotzdem ist die Altersvorsorge im internationalen Vergleich wenig nachhaltig, wie eine aktuelle Studie der OECD zeigt.
Wien – Eine tickende Zeitbombe oder unbegründete Panikmache. Politische Debatten über das hiesige Pensionssystem finden meist an den Polen statt. Das Kapitel wurde auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen bis zum Schluss aufgespart.
Der internationale Vergleich hilft, die heimische Situation besser einzuordnen. Wie die aktuelle Pensionsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) zeigt, hat Österreich zuletzt etwa leichte Fortschritte beim faktischen Antrittsalter gemacht. Zwar gilt Österreich als Frühpensionsmeister, aber diesen Pokal hat eindeutig Italien verdient. Sowohl Männer als auch Frauen gehen dort durchschnittlich mehr als vier Jahre vor dem gesetzlichen Antrittsalter in Pension. Im OECDVergleich liegen bei Männern aber nur noch die Belgier und die Luxemburger vor Österreich.
Im Schnitt tritt der Österreicher mit 62,0 Jahren, also drei Jahre vorzeitig, aus dem Erwerbsleben. Die Österreicherin geht mit 60,6 Jahren in Pension. Immerhin hat sich das Antrittsalter im Vorjahr gegenüber 2015 leicht erhöht. Trotzdem liegt Österreich damit weit unter dem Schnitt der Industriestaaten von 65,1 Jahren für Männer und 63,6 für Frauen. Das hiesige Antrittsalter hat gerade einmal wieder das Niveau von 1993 erreicht, nach langjährigem Abwärtstrend. Dieser positiven Meldung stehen aktuelle Zahlen über die starke Alterung der Ge- sellschaft gegenüber. Der demografische Wandel trifft Länder wie Japan, Deutschland und Italien stärker. Außergewöhnlich in Österreich ist jedoch die vergleichsweise abrupte Alterung der Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten. Der sogenannte Altenquotient verdeutlicht den demografischen Druck hierzulande. Im Jahr 1975 kamen auf 100 potenziell Aktive 27 Ältere. Dieser Altenquotient hat sich bis 2015 (31 Erwerbsfähige) kaum verändert. Doch bis zum Jahr 2050 sollen es 59 und bis 2075 gar 63 Senioren pro 100 Erwerbsfähige sein. Somit müssten künftig weniger als zwei Beitragszahler, so sie einen Job haben, einen Pensionisten mitfinanzieren.
Großzügige Leistungen
Hinzu kommt, dass nicht nur länger, sondern vergleichsweise hohe Pensionen zu finanzieren sind. In der EU versprechen nur die Niederlande, Portugal und Italien künftigen Pensionisten eine höhere Rente im Vergleich zum durchschnittlichen Einkommen (über das Erwerbsleben berechnet). Diese Largesse schlägt sich in hohen gesellschaftlichen Kosten nieder. Nur Griechenland, Italien, Frankreich und Portugal wenden einen höheren Anteil der Wirtschaftsleistung für die Altersvor- sorge auf, wie die OECD anhand von Zahlen aus dem Jahr 2013 berechnet.
Laut Budgetprognose des Finanzministeriums liegt der Anteil aktuell über 14 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das sind rund 50 Milliarden Euro jährlich. Bis 2050 soll der Anteil auf über 14,5 Prozent steigen, wie sowohl die OECD als auch das Finanzministerium prognostizieren. Das wirkt gar nicht dramatisch. Aber wie kann das sein, angesichts all der schlimmen Szenarien?
Erstens wächst die Wirtschaftsleistung seit Jahrzehnten, nicht nur absolut, sondern auch pro Kopf. Seit 1995 ist das Bruttonationalprodukt pro gearbeitete Stunde um rund 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig stieg in den letzten Jahren trotz höherer Arbeitslosigkeit die Gesamtbeschäftigung, auch unter der Altersgruppe 55 bis 64. Zweitens wirken vergangene Pensionsreformen, spät aber doch, darunter die längeren Durchrechnungszeiten, die Harmonisierung der Beamten mit ASVG-Pensionen und das ab 2024 steigende Frauenantrittsalter.
Drittens – hier kommt der Haken – sind Prognosen auf Jahrzehnte höchst ungewiss. Sowohl Wachstum als auch Produktivitätsgewinne haben sich in den vergangenen zehn Jahren verlang- samt. Ob das Bevölkerungswachstum auch zu höheren Pensionsbeiträgen führt, hängt nicht zuletzt von der Integration von EUund Nicht-EU-Ausländern auf dem heimischen Arbeitsmarkt ab.
Die Skepsis bezüglich künftiger Wachstumspotenziale wird international laut. Der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom hat jüngst darauf hingewiesen, dass Innovation als Wachstumsmotor immer aufwendiger geworden ist. „Was mir am meisten Sorge bereitet, sind unsere Pensionssysteme und Budgetdefizite“, sagt Bloom. Die Politik blicke 20 bis 30 Jahre zurück und gehe davon aus, dass die nächsten Jahrzehnte ähnlich gut verlaufen. Das könne ein böses Erwachen geben.
Die OECD hat in Österreich kaum Reformeifer festgestellt. In der aktuellen Analyse wird lediglich die Einführung der Teilpension hervorgehoben. Viele Länder haben mittlerweile Nachhaltigkeitsfaktoren eingeführt. Entweder das gesetzliche Antrittsalter oder die Pensionshöhe oder beides steigt mit der Lebenserwartung.
Die OECD empfiehlt zudem, den Pensionsantritt möglichst flexibel zu gestalten, mit Abschlägen, die nicht verzerrend wirken. Zumal da immer mehr alte Menschen arbeitsfähig bleiben, spricht nichts dagegen, diese Option zu forcieren. Oft sind es jedoch kulturelle Faktoren in der Arbeitswelt, die verhindern, dass bestehende Regelungen ausgenutzt werden. Fest steht: Ein fließender Übergang vom Arbeitsleben in die Pension würde dem Einzelnen helfen und das Sozialsystem nachhaltiger machen.