Raich verteidigt Stams ohne Beschönigung
Ex- Skistar: „Gezeichnetes Bild für mich sehr einseitig“– Werdenigg traf Ermittler
Innsbruck/Wien – Nicola Werdenigg nahm am Dienstagnachmittag wie angekündigt einen Termin bei der Innsbrucker Staatsanwaltschaft wahr. Sie traf zum ersten Mal Ermittler des Landeskriminalamts. Durch die im STANDARD veröffentliche Missbrauchsgeschichte der ehemaligen Skirennläuferin waren auch einschlägige schulische Einrichtungen in den Fokus gerückt, darunter das Skigymnasium Stams. Ein ehemaliger Schüler aus den 1980ern und 1990ern hatte anonym von schwersten, nicht sonderlich geheimen Übergriffen unter Schülern der Eliteanstalt berichtet.
Für den Ruf der Einrichtung legen sich ehemalige Schüler und Lehrkräfte ins Zeug. Hermann Czetsch, zwischen 1975 und 1980 Lehrer sowie Erzieher im Internat der Burschen, versichert, von Übergriffen nie etwas mitbekommen zu haben, „und ich hätte es erfahren müssen“. Ob außerhalb des Hauses, etwa auf Trainingslagern, etwas vorgefallen sei, könne er nicht beurteilen.
Benjamin Raich räumte in der Tiroler Tageszeitung ein, dass in seiner Schulzeit (1992 bis 1996) wohl auch „gepastert“wurde. Er selbst sei nie Opfer gewesen, und er wäre auch nie dabei gewesen, sagte der zweimalige Olympiasieger. Bezüglich des Umgangs unter den Schülern gebe es nichts zu beschönigen. „Wenn ein Junger frech ist, gibt’s auch einmal eine auf die Mütze.“
Die von einem Ex-Absolventen im STANDARD erhobenen Vorwürfe hält Raich dennoch für grob überzogen. „Das gezeichnete Bild ist für mich sehr einseitig.“Er glaubt und hofft, dass es die beschriebenen Zustände in Stams nicht mehr gibt. „Ich bin nach wie vor eng mit dem Skisport verbunden, rede mit vielen Nachwuchssportlern, und mir wäre nie, wirklich nie etwas Diesbezügliches zu Ohren gekommen.“Sicher ist Raich, „dass die Gesellschaft sensibler mit dieser Thematik umgehen muss“. Dazu gelte es, Missstände anzusprechen und „eine unabhängige Anlaufstelle zu schaffen“.
Genau das und lückenlose Aufarbeitung hatte auch schon Nicola Werdenigg gefordert. Die Tiroler Landesregierung beschloss nun, eine externe und unabhängige Kommission dafür einzurichten. Vertreter der Justiz, der Sportuniversität und der Pädagogischen Hochschulen sollen ihr angehören. Als Leiterin wurde Andrea Wibmer-Stern, Vorsteherin des Bezirksgerichts Kufstein, bestellt. Bereits vor rund zwei Wochen hatte das Land eine telefonische Erstanlaufstelle für Betroffene eingerichtet und angekündigt, die Aktenlage durch die Bildungsabteilung und den Landesschulrat aufzuarbeiten. (lü)