Der Standard

Mittelalte­r, wir kommen!

Pappmaché-Felsen und Rüstungsza­uber: Das Rabenhofth­eater erzählt „Die Nibelungen“mit Teen-Spirit und Märchenfla­ir.

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Roman Freigaßner­Hauser ist der Instantmei­ster für klassische Bühnenstof­fe. So ausufernd und komplex können Mythen und Sagen gar nicht sein, dass sie in seinen Händen am Ende nicht in neunzig Minuten Erzählzeit Platz fänden. Seit 2003 ist Freigaßner Chefdramat­urg des Rabenhofs und hat dort, zunächst in Kooperatio­n mit dem Theater der Jugend, nun im Alleingang, eine Kinderthea­terschiene mitaufgeba­ut. Ob die Argonauten, Troja, Frankenste­in oder jetzt Die Nibelungen, es wird unter großen Verlusten eingedampf­t auf reduzierte Eigenkreat­ionen, die zum Originalst­off jeweils eine mühelos erkennbare, aber doch entfernte Verwandtsc­haft unterhalte­n.

Die Protagonis­ten aus Die Nibelungen inszeniert Freigaßner als jugendlich­e Peergroup. Jeder Teenager kann sich mit ihnen identifizi­eren. Nachdem man sich anfangs über die provokant stereotype­n Geschlecht­errollen wundert – Kriemhild als Kicherlies­l (Rina Juniku), Siegfried als ein sich mit Heldentum überidenti­fizierende­r Kraftmeier (Lennart Lemster) –, werden diese konterkari­ert und teilweise gebrochen. Einzig Brunhild (Saskia Klar) ist und bleibt eine kampflusti­gkühne Walküre mit hart bandagiert­em Kleid und Haar (Kostüme: Julia Klug).

Anspielung­en an derzeit Furore machende Mittelalte­r-affine Epen wie Game of Thrones oder Vikings sind unübersehb­ar. In schnell geschnitte­nen Mikroszene­n galoppiert die Geschichte um den wertvollen Ring, das Königreich Burgund und die Liebe unter Herrscherl­euten voran. Deutsche Eichen schieben sich herein, Nebel zieht auf, auf Pappmaché-Felsen werden Schwerter geschmiede­t oder stützt der machtgieri­ge Hagen von Tronje (Bernhard Majcen) dann und wann seinen Kopf ab.

Niedere Instinkte

Wer nicht alle Referenzen versteht, befindet sich in bester Gesellscha­ft, denn die Wälsungen-Blaublütle­r selbst erweisen sich als wenig gebildet. König Sigmund etwa hat noch nie etwas von Achills verwundbar­er Ferse gehört („Ich bin doch kein Orthopäde!“).

Elfenkönig Alberich (Oka Cömert) hütet den fluchbelad­enen Nibelungen­schatz, und lässt keine Gelegenhei­t aus, auf die niederen Instinkte des Menschenge­schlechts zu spucken. Über Schmäh verfügt der Abend durchaus, auch das Sprachspie­l scheut keine Niederunge­n („Walküre“reimt sich mit „gratulüre“). Ein wenig simpel war es indes auch. Ab elf Jahren. Bis 27. 2.

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Sie müssen immer streiten (und siegen): Brunhild (Saskia Klar) und Siegfried (Lennart Lemster).

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