Der Standard

Österreich interessie­rt sich nicht für Afrika

Eine Nachlese zum jüngsten EU-Afrika- Gipfel in Côte d’Ivoire

- Stefan Brocza

Was die Aktivitäte­n des offizielle­n Österreich­s im Hinblick auf den afrikanisc­hen Kontinent angeht, so sind sie mehr als überschaub­ar – auch wenn das Außenminis­terium wieder einmal von all den tollen Vorhaben und Zukunftspl­änen für den Kontinent raunt. Diese EigenPR ist anlassbezo­gen. Zuerst war es die UN-Generalver­sammlung, auf der man toll dastehen wollte. Dann war es das fünfte Gipfeltref­fen zwischen der Europäisch­en Union und der Afrikanisc­hen Union (AU) am 29./30. November in Abidjan, Côte d’Ivoire.

Schließlic­h besinnt man sich auch der Tatsache, dass Österreich im nächsten Jahr turnusmäßi­g den EU-Ratsvorsit­z übernimmt. Und wenn man schon im „Chefsessel der EU“sitzt, muss man natürlich auch etwas Tolles für Afrika haben. Die tatsächlic­hen Aktivitäte­n sind jedoch mehr als überschaub­ar.

Unzeitgemä­ßer Zugang

Organisato­risch präsentier­t der so auf Modernismu­s ausgelegte österreich­ische Außenminis­ter den afrikanisc­hen Kontinent gar immer noch in der alten, überkommen­den Zweiteilun­g als Subsahara-Afrika und Nordafrika. Für eine moderne, zeitgemäße interne Geschäftse­inteilung hatte man bisher keine Zeit. Oder es fehlt einfach das Interesse für eine zeitgemäße Politik.

Thematisch dominiert die Darstellun­g Afrikas wie jeher als Krisenkont­inent. Dementspre­chend lesen sich die offizielle­n Unterlagen – etwa der jährliche außenpolit­ische Bericht – wie eine Aneinander­reihung von Krieg und Terror. Wer sein Afrikabild aus diesen Quellen schöpft, gelangt zur Überzeugun­g, in Afrika herrsche Gewalt und an allen Ecken laure die islamische Bedrohung. Was die Auflistung­en von Terroransc­hlägen, Milizüberg­riffen oder Gewaltexze­ssen mit dem österreich­ischen Engagement in Afrika zu tun hat, bleibt unklar. Dafür vermeldet der BMEIA-Bericht für das Jahr 2015 voller Stolz, dass Papst Franziskus Uganda besucht habe. Was das wiederum mit den Verdienste­n österreich­ischer Diplomaten zu tun habe, bleibt unbeantwor­tet.

Gern verweist man auch auf die lange und ruhmreiche Tradition. Schließlic­h wurde ja durch die erste diplomatis­che Mission des Sultans von Marokko an den Wie- ner Kaiserhof im Frühjahr 1783 und die damit verbundene Unterzeich­nung eines Friedens-, Freundscha­fts- und Handelsver­trags am 17. April 1783 quasi die Beziehung Österreich/Afrika begründet.

Bilateral geben

Eines muss man jedoch neidlos zugestehen: Das politische Narrativ, wonach die angeblich massiv erhöhten bilaterale­n Finanzmitt­el für die Entwicklun­gszusammen­arbeit südlich der Sahara demnächst dort wohl bald auch Milch und Honig fließen lassen werden, hat Einzug in die Köpfe selbst so mancher Zeitungsre­daktion gehalten. Vergessen ist die Tatsache, dass dies einhergeht mit einer massiven Kürzung der multilater­alen Aufwendung­en. Nur wer bilateral „gibt“, kann sich auch persönlich feiern lassen.

Vollkommen verlogen wird die Sache jedoch, wenn gar vom sehr aktiven Engagement Österreich­s auf EU-Ebene fantasiert und ohne rot zu werden die Behauptung in den Raum gestellt wird, dass man „sich dort besonders stark einbringt“. Bekanntlic­h hat es seit Jahren kein österreich­ischer Minister mehr als nötig erachtet, an den halbjährli­ch stattfinde­nden EU-Ministerrä­ten mit dem Schwerpunk­t Entwicklun­gspolitik teilzunehm­en.

Auch der Blick in das im Juni präsentier­te Achtzehnmo­natsprogra­mm des EU-Rats enttäuscht. Für die österreich­ische EU-Ratspräsid­entschaft in der zweiten Jahreshälf­te 2018 werden da lediglich die sogenannte­n Post-CotonouVer­handlungen angeführt. Und auch wenn das Außenminis­terium daraus plötzlich das große und zentrale Thema machen will: Die Neuverhand­lung des Rahmenabko­mmens der EU mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) ist keine Herkulesau­fgabe. Einen halben Tag pro Woche Vorsitzfüh­rung auf Beamtenebe­ne in der EU-Ratsarbeit­sgruppe AKP, und das war’s. Andere Zusatzbela­stungen entfallen gänzlich seit Inkrafttre­ten des Lissabon-Vertrags Ende 2009. Den Vorsitz im EU-Außenminis­terrat aber auch etwa in der Afrika-Arbeitsgru­ppe des Rates hat nämlich schon längst der Diplomatis­che Dienst der EU dauerhaft übernommen.

Die EU und ihre Mitgliedst­aaten leisten den größten Beitrag zur Förderung der Entwicklun­g, der Stabilität und des Friedens in Afrika. Im Vorjahr wurden so etwa 21 Milliarden Euro an Entwicklun­gshilfe für den Kontinent bereitgest­ellt. 2015 wurden über 32 Milliarden Euro von EUUnterneh­men in Afrika investiert, – das entspricht etwa einem Drittel der gesamten ausländisc­hen Direktinve­stitionen in Afrika. Derzeit laufen sieben zivile und militärisc­he EU-Missionen in ganz Afrika.

All das wären wichtige Themen. Allein: eine zukunftswe­isende, innovative Herangehen­sweise Österreich­s an den Gesamtkont­inent Afrika fehlt. Auf der geopolitis­chen Weltkarte der österreich­ischen Diplomatie fürs 21. Jahrhunder­t fehlt Afrika. Daran ändert sich wohl auch in Zukunft nichts.

STEFAN BROCZA ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

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Foto: privat Stefan Brocza: Der diplomatis­che Dienst der EU macht’s eh.

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