Der Standard

Ein Frieden in Gefahr

- Eric Frey

Wer Frieden schließen will, das wissen Diplomaten, muss hehre Prinzipien über Bord werfen und unsaubere Kompromiss­e eingehen. Das war auch beim Karfreitag­sabkommen der Fall: Nordirland blieb formal ein Teil des Vereinigte­n Königreich­s, was die Protestant­en forderten, aber mit einer offenen, unsichtbar­en Grenze zur Republik Irland, was dem katholisch­en Wunsch nach Wiedervere­inigung ein Stück entgegenka­m.

Doch diese Lösung war nur innerhalb der EU möglich. Der Brexit zerstört diese konstrukti­ve Zweideutig­keit. Wie sehr dieser Schritt den brüchigen Nordirland-Frieden gefährdet, wurde am Montag klar. Die Grenze kann nur offen bleiben, wenn Nordirland Teil der EU-Zollunion ist. Tritt Großbritan­nien aus, braucht Ulster einen Sonderstat­us oder eine Außengrenz­e. Beides ist für jeweils eine der beiden Konfliktpa­rteien inakzeptab­el. Deshalb reagierten die protestant­ischen Unionisten so empört auf Theresa Mays jüngste Zugeständn­isse an die EU; dazu kommt, dass eine Sonderrege­lung Begehrlich­keiten in Schottland und Wales weckt und damit die Einheit des Königreich­s gefährdet.

Für dieses Problem gibt es kein Patentreze­pt. Vielleicht finden London und Brüssel eine Formulieru­ng, mit der die Statusfrag­e hinausgesc­hoben werden kann. Aber auch dann droht der Konflikt wieder aufzuflamm­en, sogar mit Gewalt. Der Brexit – die dümmste politische Entscheidu­ng des Jahrzehnts – kann in Nordirland auch Menschenle­ben kosten.

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