Trump löst neue Nahostkrise aus
Wut bei Palästinensern wegen geplanter US-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt
Washington/Jerusalem – Allein schon die Ankündigung von USPräsident Donald Trump, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen zu wollen und damit auch Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, hat am Mittwoch für Aufregung gesorgt.
Während der palästinensische Vertreter in London, Manuel Hassassian, in einem BBC-Interview von einer „Kriegserklärung“und dem „Todeskuss für die Zweistaatenlösung“sprach, warnte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Trump und rief gleichzeitig sein Volk zur Einheit auf: „Wir ha- ben für den Erfolg der Versöhnung gearbeitet.“Die nationale Einheit sei die wahre Antwort auf alle Versuche, die durch internationale Gesetze garantierten Rechte der Palästinenser zu verletzen.
Erwartungsgemäß radikaler gab sich Hamas-Chef Ismail Haniyeh, der zu einem weiteren Palästinenseraufstand aufrief. Seine Parole: „Jerusalem und Palästina werden arabisch und islamisch bleiben.“
Trump wollte seine Entscheidung zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels noch am Mittwochabend offiziell machen – die formelle Verlegung der Botschaft werde aber Jahre in An- spruch nehmen, hieß es am Mittwoch aus dem Weißen Haus.
Tatsächlich hat der US-Kongress die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem bereits vor mehr als 20 Jahren im „Jerusalem Embassy Act“von 1995 beschlossen. Seitdem haben alle US-Präsidenten – inklusive bisher Trump – alle sechs Monate formell ein Dokument unterschrieben, mit dem dieser Schritt hinausgezögert wird.
Bisher hat kein anderer Staat Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt, weil der 1967 eroberte und 1980 annektierte Ostteil der Stadt völkerrechtlich eigentlich gar nicht zu Israel gehört. Auch wenn Trump jetzt die Erklärung offiziell mache: Washington bleibe einer Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern verpflichtet, versicherten seine Berater im Weißen Haus. Den endgültigen Status Jerusalems zu regeln, das sei Sache von Friedensverhandlungen.
Israels Premier Benjamin Netanjahu hielt sich im Vorfeld mit allzu großer Euphorie zurück, lobte aber die „sehr starke US-Unterstützung für Israel“. (red)
In den Stunden vor der erwarteten Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump fiel in Israel immer wieder das Wort „Festtag“. Es hieß, dass das Rathaus von Jerusalem ein Freudenfest vorbereitete, bei der die Menschen tanzen sollten wie 1947, als die Uno die Schaffung eines jüdischen Staates beschloss. Wegen des stürmischen Wetters war das aber ungewiss. Man spürte auch Unbehagen, das durch Kritik aus aller Welt ausgelöst wurde, und Sorge wegen möglicher Gewaltausbrüche. Aber die Zustimmung ging quer durch die politischen Lager.
„Ich begrüße es, dass ein anderes Land Jerusalem als unsere Hauptstadt anerkennt“, sagte etwa Avi Gabay, der neue Chef der Arbeiterpartei, „aber wir sind es, die Jerusalem zu unserer Hauptstadt gemacht haben.“Premier Benjamin Netanjahu hatte seinen Ministern aufgetragen, im Vorfeld der Trump-Erklärung Stillschweigen zu bewahren, um keine Irritationen zu riskieren, und begnügte sich mit einem zurückhaltenden Facebook-Eintrag: „Jeden Tag gibt es sehr bedeutsame Manifestationen unserer nationalen Identität, aber ganz speziell heute. Und ich werde dem später am heutigen Tag etwas hinzuzufügen haben, in einer Angelegenheit, die Jerusalem betrifft.“
Zuvor hatte Netanjahus nationalreligiöser Koalitionspartner Naftali Bennett frohlockt: „Wir erwarten von Präsident Trump, Jerusalem als Israels vereinigte Hauptstadt anzuerkennen und auch die amerikanische Botschaft in unsere Hauptstadt zu verlegen, das erwarten wir von unserem größten und besten Freund.“Und der liberale Oppositionspolitiker Yair Lapid erklärte: „Wenn Gewalt das einzige Argument gegen die Verlegung der Botschaft ist, dann beweist das nur, dass die Verlegung das Richtige ist.“Damit spielte er auf Befürchtungen an, die Palästinenser könnten mit gewalttätigen Protesten reagieren.
Zeitpunkt offen
Mit der baldigen Übersiedlung der US-Botschaft aus Tel Aviv rechnete man nicht. Wegen ihrer Größe wäre das eine langwierige logistische Operation, es müsste erst ein geeignetes Gebäude in Jerusalem gefunden und hergerichtet werden. Andrerseits hieß es, wenn Trump wollte, könnte er die Verlegung symbolisch in fünf Minuten durchziehen – er müsste bloß anordnen, dass das Schild am US-Konsulat in Westjerusalem ausgewechselt wird.