Das Verschwinden der Aktenvermerke
Suspendierter Ex-Lehrer von Neustift stieg ungehindert auf – Verdacht in Schladming
Die sexuellen Übergriffe in der Skimittelschule (vormals Skihauptschule) Neustift im Stubaital beschränken sich offenbar nicht auf die 1970er-Jahre. Am Montag wurde ein ehemaliger Pädagoge und Trainer suspendiert, der heute in führender Position in der Schulaufsicht tätig ist. Dem Mann wurden in den 1990ern, als er in Neustift arbeitete, mehrfach Übergriffe auf Mädchen vorgeworfen.
„Die Mädchen haben sich an eine Lehrerin gewandt, weil ihnen der Trainer, als er sie wie üblich am Wochenende zu einem Rennen begleitete, die Brüste massiert hat“, sagt ein ehemaliger Kollege des Beschuldigten. Dies wurde unverzüglich der Schulleitung gemeldet, die auch sofort reagierte. Die Direktion schaltete das Kinderschutzzentrum Tangram ein. „Eine Expertin dieser Einrichtung kam im Herbst 1995 in die Schule und hat mit dem gesamten Lehrerkollegium einen Workshop abgehalten, wie man mit sexuellen Grenzüberschreitungen umgeht“, erinnert sich der Pädagoge. Dabei war auch der Beschuldigte anwesend. „Er hat die Vorwürfe nicht bestritten. Er war sehr still“, erinnert sich ein weiterer Lehrer.
Im Workshop waren sogar Richtlinien erarbeitet worden, wie mit dem Beschuldigten weiter umzugehen sei. Er dürfe sich Schülerinnen nicht mehr ohne weibliche Begleitung nähern. Zudem wurde ihm eine Therapie verschrieben. All das wurde auch an höhere Instanzen in der Bildungsabteilung des Landes gemeldet, sind sich beide ehemaligen Pädagogen sicher: „Wie das verschwinden konnte, verstehen wir nicht.“Es ist unklar, ob der Beschuldigte die Therapie jemals antrat.
Auch die jetzige Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) zeigt sich bestürzt und alarmiert, dass keinerlei Hinweise zu finden sind: „Wir haben seit der Vorwoche sämtliche Akten durchforstet. Es gibt keinerlei Aktenvermerk.“Die Landesrätin wird dazu sehr deutlich: „Dass es keine Spuren gibt, ist sehr verwunderlich. Ich verstehe das nicht, und es macht mich betroffen.“Offenbar verschwanden die Meldungen in der Bildungsabteilung. Erst in der Sportabteilung sei man zufällig fündig geworden. Die Landesrätin verspricht volle Aufklärung.
Der damalige Direktor der Skihauptschule Neustift, Anton Prax- marer, bekräftigt im Gespräch mit dem STANDARD, dass die Vorwürfe gegen den Trainer und Lehrer ordnungsgemäß gemeldet wurden. Zu dieser Zeit war Bildungslandesrat Fritz Astl (ÖVP) sowohl für Sport als auch Schulen zuständig. Warum all dies nicht in den Akten der Bildungsabteilung vermerkt wurde, ist Praxmarer unerklärlich.
Der Beschuldigte bewarb sich Ende der 1990er als Direktor in Neustift, woraufhin erneut, allerdings anonyme Vorwürfe in Form eines Briefes gegen ihn auftauchten. Er habe Mädchen mit anzüglichen Gesprächen belästigt. Der Brief sei an den damaligen Bildungslandesrat Astl adressiert gewesen, sagt ein ehemaliger Pädagoge. Der Beschuldigte sei daraufhin nicht befördert worden.
Zehn Jahre später waren die Vorwürfe vergessen. Er wurde Direktor. 2013 stieg er in den Landesdienst auf, wo er seitdem eine führende Rolle in der Schulaufsicht bekleidet. Noch vergangene Woche sagte er in den Medien, dass derartige Vorwürfe in Neustift nie Thema gewesen, seien.
Am Mittwochnachmittag wurde bekannt, dass ein Trainer der Skiakademie Schladming am 21. November versucht haben soll, einen Schüler unsittlich zu berühren. Die Eltern zeigten an, der Trainer wurde suspendiert, die Landespolizeidirektion Steiermark bestätigte Ermittlungen.