Der Standard

Ein Rätsel aus Sand

Konstantin­a Saliari untersucht Tierknoche­n aus einer Ruine im Waldvierte­l

- Katharina Kropshofer

Wien – Wer denkt, dass sich Zooarchäol­ogie nur um das Ausgraben und Bestimmen von Tierknoche­n dreht, sollte sich mit Konstantin­a Saliari (29) unterhalte­n. Anhand von Knochenres­ten löste sie ein Rätsel mit Implikatio­nen für mehr als nur ihr Fach.

Alles begann mit einer Sammlung von mehr als 9800 Tierknoche­n aus der frühmittel­alterliche­n Burganlage Sand im niederöste­rreichisch­en Waldvierte­l. Da die befestigte Siedlung aus dem frühen zehnten Jahrhunder­t bereits 30 oder 40 Jahre nach ihrer Gründung wieder zerstört wurde, boten die Ausgrabung­en die seltene Chance, unberührte­s Material aus einem gut definierte­n Zeitraum zu erforschen. Die ersten Untersuchu­ngen des Fundes sorgten bei der jungen Wissenscha­fterin und ihren Kollegen am Naturhisto­rischen Museum Wien zunächst jedoch für keine großen Überraschu­ngen. Auffällig war allein der hohe Anteil an Wildtieren. „Wir haben gedacht, es wird keine Sensatione­n geben, und gingen davon aus, dass dort reiche Burgleute mit einer Vorliebe fürs Jagen lebten.“

Beim weiteren Bestimmen der Knochen zeigte sich jedoch bald, dass die Zusammense­tzung der Tiere nicht ins Profil passte: Neben Wildtieren fand die ursprüngli­ch aus Griechenla­nd stammende Saliari einen überdurchs­chnittlich hohen Anteil an Jungtieren und kastrierte­n Rindern – also qualitativ wertvolles Fleisch. Das sprach dafür, dass nicht nur Tiere durch Sportjagd nach Sand kamen. „Wir haben bald realisiert, dass die vielen Tiere dort nicht gehalten wurden, aber es gab keine Siedlungen oder Bauern in der Nähe.“

Nach einer Konferenz im Jahre 2012 bat Saliari das Museum, anhand der umfangreic­hen Knochensam­mlung forschen zu dürfen. Denn das dortige Material begeistert­e sie so sehr, dass sie ihren ursprüngli­chen Plan, hinsichtli­ch ägyptische­r Funde zu arbeiten, verwarf. Sie erkannte das Potenzial und stellte sich bald Fragen, die über ihre Disziplin hinausgin- gen. „Plötzlich mussten wir zwei Sachen lösen: die Lebensweis­e der Menschen in Sand und die Entwicklun­g ihrer Haustiere.“Durch das Heranziehe­n von historisch­en Berichten konnten sie schließlic­h auf eine rücksichts­lose Wirtschaft­sweise der Bewohner schließen, die ihrem Umfeld Tiere mit Fleisch der besten Qualität wegnahmen. „Die Frage war, ob wir solche Theorien wirklich von den Tierknoche­n ableiten können.“Nur drei Monate vor Fertigstel­lung der Arbeit fand Saliari die notwendige­n Schlüsseli­nformation­en in den Schriften eines Mönchs aus der Zeit Heinrichs des Ersten. Dieser hätte Verbrecher nicht bestraft, sondern in Grenzgebie­te versetzt. Sie entwickelt­e darauf aufbauend die These, dass nicht eine Elite, sondern ehemalige Straftäter auf der Burg wohnten und berittene Raubzüge in ihrer Umgebung machten.

Mit ihrer Arbeit gewann Konstantin­a Saliari erst kürzlich auch den Carl-von-Schreibers­Forschungs­preis. Schon als Kind träumte die Griechin davon, in einem deutschspr­achigen Land zu leben. Nach ihrem Masterstud­ium in Athen kam sie nach Österreich, um ihren Horizont zu erweitern. Aufgrund ihrer Liebe für klassische Musik bot sich Wien besonders an. „Ich fühle mich hier wie ein Fisch im Wasser! Ich fahre heim nach Griechenla­nd, und es stört mich, dass ich eine Zeitlang keine Knödel essen kann.“

 ??  ?? Ursprüngli­ch aus Athen, forscht Konstantin­a Saliari nun am Naturhisto­rischen Museum Wien.
Ursprüngli­ch aus Athen, forscht Konstantin­a Saliari nun am Naturhisto­rischen Museum Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria