„Vereinbarkeit ist kein Frauenthema“
Was Unternehmen tun können, um Vereinbarkeit für Frauen und Männer strukturell zur Normalität zu machen. Und warum Gleichstellungsfragen andere Dimensionen sind: sechs Unternehmensvertreterinnen im Diskurs.
Wien – Eine Professorin der Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Wien (TU) wird von einer schwedischen Uni abgeworben. Sie sagt zu, und im Sinne von „dual career“findet auch ihr Mann eine Anstellung an dieser Uni. Ein Vierteljahr später ist sie schwanger und meldet das ihrem neuen Arbeitgeber. Dieser fragt beim werdenden Vater eher strenger an, wo denn nun seine Karenzmeldung bleibe.
Die TU-Vizerektorin Anna Steiger, zuständig für Personal und Gender, erzählt diesen konkreten Fall, um deutlich zu machen, was Arbeitgeber strukturell beitragen können, um Vereinbarkeit aus der Ecke des „Frauenthemas“herauszuholen und zu einem Elternrespektive Managementthema der Organisationen zu machen.
Solche Maßnahmen sind Thema der Plattform Chancengleichheit, auf der sich seit 2012 ein Netzwerk aus Gleichstellungsbeauftragten und Diversitätsexpertinnen zusammengefunden hat.
Grundlegend einig ist sich die Runde der Vertreterinnen dieses Netzwerks in einem: Vereinbarkeit ist kein Frauenthema. Auch wenn die Wirklichkeit – der Großteil der Frauen im Haupterwerbsalter arbeitet in Teilzeit – ein anderes Bild zeichnet. Aber genau davon wollen diese Frauen weg. „Tatsache ist aktuell, dass wir Frauen unterstützen müssen, denn es geht auch um das Thema der Altersarmut“, sagt die Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Frauen, Hilde Stockhammer. Sie nimmt es als Alarmzeichen, dass der Anteil der Frauen, die unter 25 Wochenstunden arbeiten, steigt.
Wenn Beruf und Familie wirklich vereinbar seien, sagt Petra Zopf, Personalentwicklerin bei den Bundesforsten, wenn nicht mehr in „Einschränkungen“ge- PROTOKOLL: dacht werde, dann würden auch mehr Frauen für Führungskarrieren aufzeigen, „denn wenn das immer ein Krampf ist, dann hat man auch oft nicht die Energie“.
Altbekannte Hürden
Sigrun Alten, Personalchefin beim in Kärnten ansässigen Halbleiterproduzenten Infineon: „Mein Optimismus hält sich da in Grenzen. Es gab Veränderungen, aber eigentlich sehr schwache. Angebote für Vereinbarkeit müssen selbstverständlich da sein für Eltern, aber die sind kein Garant, dass Frauen in Führungskarrieren gehen. Die Schwellen dafür sind eine männlich geprägte Führungskultur und Beurteilungen für die Eignung, die von männlichen Vorgesetzten kommen.“
Monika Lämmerer, Personalchefin der SchieneninfrastrukturDienstleistungsgesellschaft, sieht einen Großauftrag in Familien: Wenn dort vorgelebt werde, dass „Männer auch das WC putzen und Frauen auch Reifenwechseln fahren“, dann sei der Rollenzugang des Nachwuchses schon ein großes Stück von Stereotypen befreit.
Zurück zur Vereinbarkeit: Traude Kogoj, Diversity-Beauftragte des ÖBB-Konzerns, rüttelt an den quasi fixen Annahmen, dass Frauenkarrieren nur möglich sind, wenn Kinderbetreuung flächendeckend ausgebaut ist – das sei „zu kurz gedacht. Kinderbetreuung ist Elternarbeit. Dass Alleinerziehende sich noch einmal anders aufstellen müssen, ist eh klar.“Was sie zur Klarstellung einer immer wieder zu beobachtenden Verwechslung bringt: „Wer Vereinbarkeit im selben Zug mit Gleichstellung denkt, hat mit Gleichstellung nichts am Hut, auch wenn es gerne miteinander gedacht wird.“Für Herta Stockbauer ist Vereinbarkeit höchstens eine der Vo- raussetzungen für Gleichstellung. Bei Letzterer gehe es um das Schließen von Gender-Pay-Gaps oder um gleiche Teilhabe von Frauen an Macht und Entscheidung im Unternehmen.
Dass es dazu viele Wege gebe, ist in dieser Runde unbestritten. Dass gelegentlich trickreiches Vorgehen altgewohnte Präsenzkulturen ändern kann, wird auch besprochen: etwa wenn sich herausstellt, dass mobile Kinderbetreuung für andauernde Meetings nach 19 Uhr doch teurer kommt, als wichtige Besprechungen während der Kernarbeitszeit anzusetzen.
Dass flexiblere Angebote von Unternehmensseite künftig noch viel mehr Gewicht erhalten werden, ist für alle klar: Immerhin werde Pflege von Angehörigen in alternden Gesellschaften ein riesiges Thema, das – wie Anna Steiger sagt – auch noch aus der Tabuzone zu holen ist.