Familienbeihilfe ins Ausland wird trotz EU-Kritik gekürzt
SPÖ-Chef Kern übt harte Kritik an Regierungsvorhaben
Seggau – Mit hohem Sicherheitsaufwand und Polizeikontrollen startete die türkis-blaue Regierungskoalition am Donnerstag ihre erste Klausur im steirischen Prachtschloss Seggau. Im Fokus des ersten Arbeitstages standen die angekündigte Entlastung von Beziehern niedriger Einkommen sowie die Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben. Durch die Kürzung werde der Staat „mehr als 100 Millionen Euro“sparen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
In einer ersten Reaktion kündigte die EU-Kommission an, die Kürzungspläne der ÖVP-FPÖ-Bun- desregierung für die Familienbeihilfe auf ihre EU-Konformität genau zu prüfen.
Erste Bruchlinien zwischen FPÖ und ÖVP traten beim Thema „Arbeitslosengeld neu“auf. Die FPÖ beharrt darauf, dass Österreich nicht das deutsche Modell Hartz IV übernehme.
Kurz konnte die Befürchtung, dass im Zuge der angepeilten Veränderungen des Arbeitslosengeldes Verschärfungen geplant sind, aber nicht ganz ausräumen und verwies auf weitere Beratungen.
SPÖ-Chef Christian Kern reagiert auf die Regierungspläne heftig: Die Koalition würde den Sozi- alstaat demolieren, Menschen an den Rand drängen und ihnen alle Hoffnungen nehmen.
Zu den Befürchtungen tragen auch Passagen aus dem Regierungsprogramm bei, Einschnitte nicht nur beim Arbeitslosengeld, sondern auch bei der Zumutbarkeit vorzunehmen. So will die Koalition eine Lockerung des Berufsund Entgeltschutzes prüfen, um die Aktivierung Arbeitsloser zu forcieren. Eine EU-Studie sieht indes die steile Lohnkurve in Österreich als Problem. Ältere würden dadurch für Unternehmen zu teuer.
Maria Taferl – Die SPÖ schenkte ihrem Chef zu seinem Geburtstag am Donnerstag eine Parteiklausur, eine Torte in den Farben der Austria Wien und eine A-cappellaBand, die Happy Birthday sang. Bei der Sitzung des Parteipräsidiums im niederösterreichischen Maria Taferl ging es aber vor allem darum, die Roten auf ihre neue Rolle als Opposition einzuschwören – in der sich SPÖ-Chef Christian Kern sichtlich wohlfühlt und zum politischen Angriff auf seine Nachfolger auf der Regierungsbank bläst. Seinen Parteifreunden in Niederösterreich steckt Kern für die Landtagswahl in drei Wochen niedrige Ziele.
Umfaller „atemberaubend“
„Die Regierung hat sich von Türkis-Blau verabschiedet, nun kommen die alten Muster von Schwarz-Blau zum Vorschein“, sagte Kern. Im Stil wolle man sich – wenig überraschend – „deutlich und prononciert“geben, denn durch die neue Bundesregierung werden „die Leute für dumm verkauft. Wo die FPÖ überall umgefallen ist, ist ja atemberaubend.“
Besonders schoss sich der Oppositionsführer auf das Ende der Arbeitsmarktprogramme ein. Die Streichung der Aktion 20.000 etwa sei „völlig unsachlich“, denn „wir wissen, dass die Arbeitslosigkeit bei den Älteren nach wie vor ein großes Problem ist“. In allen Pilotregionen des Projekts sei die Beschäftigungsrate von über 50Jährigen aber gestiegen, alles in allem koste es pro Betroffenen gerade einmal 100 Euro pro Monat: „Ein reiches Land wie Österreich hat sich das zu leisten.“Wenn Sozialministerin Beate HartingerKlein (FPÖ) behaupte, das Programm sei nicht erfolgreich, sage sie offenbar wissentlich die Unwahrheit.
Dass die Regierung den Jobbonus „zusammenstreicht“, gleichzeitig aber die Mängelberufsliste erweitert, werde die Arbeitslosigkeit nur weiter verschärfen, weil dann Frisöre und Automechaniker mit „Ukrainern, Weißrussen, Kroaten und Moldawiern“am Arbeitsmarkt konkurrierten.
Gleichzeitig verbreite die Regierung bei der Entlastung geringer Einkommen „vor allem Schall und Rauch“, wenn sie behaupte, im System zu sparen: Die Installation von Generalsekretären in den Ministerien und vier Kommunikationsmitarbeiter pro Minister stellten einen „absoluten Rekordwert in diesen Kabinettsstrukturen“dar.
Dass die Parteisitzung in Niederösterreich stattfindet, ist kein Zufall: Immerhin wählt das Bundesland am 28. Jänner seinen neuen Landtag, bei der Kern „eine Trendwende“schaffen will, die das Land „mehr als jedes andere Bundesland braucht“. Als Wahlziel nennt Kern, die absolute Mehrheit der ÖVP zu brechen und zuzulegen. Kein hochgestecktes Ziel, ausgehend von 21,7 Prozent, dem historisch schlechten Wahlergebnis der SPÖ Niederösterreich im Jahr 2013. Außerdem sollen die Roten „natürlich“den zweiten Platz verteidigen.
„Pfiffige Kampagne“
Landesparteichef und Spitzenkandidat Franz Schnabl ist „sehr optimistisch, dass uns das mit einer pfiffigen, modernen Kampagne gelingen kann“– bei der Pressekonferenz nach der Klausur etwa mit einem Plakat, das Schnabl und den Schriftzug „Ändamawas“zeigt. Man müsse thematisieren, „dass Schwarz-Blau möglicherweise auch in Niederösterreich vor der Tür steht“. Er vermute, dass schon Vorbereitungen dafür getroffen werden: Denn die FPÖ stellte entgegen früherer Pläne Udo Landbauer statt Walter Rosenkranz als Spitzenkandidat auf. Weil Landbauer in Wiener Neustadt mit dem ÖVPLandtagsklubchef Klaus Schneeberger zusammenarbeitet, vermutet Schnabl Absprachen.
Wenn sich Landbauer als „Vater des sozialen Wohnbaus“plaka- tieren lasse, habe er „offensichtlich das Regierungsprogramm der Bundesregierung nicht gelesen“, in dem gerade der soziale Wohnbau geschwächt werde.
Mit der violetten Torte, die die Partei ihrem Chef bereitstellte, hatte Schnabl allerdings offensichtlich keine Freude – immerhin steht er als Rapid-Fan in den Worten Kerns „auf der falschen Seite der Macht“.