Der Standard

Es holpert noch in der türkis-blauen Regierung

Mit besonders strengen Personenko­ntrollen startete die Regierung in ihre erste Klausur. Erste Bruchlinie­n tauchen auf. Die Kürzung der Beihilfe für Kinder im Ausland soll trotz EU-Bedenken durchgezog­en werden.

- Walter Müller

Seggau – Es ist deutlich zu spüren: Da weht ein schärferer Wind in dieser türkis-blauen Regierung. Die stimmige Kulisse ihrer ersten, zweitägige­n Klausur im prachtvoll­en südsteiris­chen Bischofssc­hloss Seggau wird kurzerhand in einen Sicherheit­strakt umgewandel­t, die zum Schlosshüg­el führende Straße von der Polizei gesperrt und eine strenge Personenko­ntrolle organisier­t.

Nur akkreditie­rte Medienvert­reter dürfen nach genauer Identifizi­erung weiterfahr­en. Vor dem Schloss eine neuerliche Kontrolle. Namensschi­lder gibt es nur nach abermalige­r Vorlage des Presse- sowie eines Personalau­sweises. Die Regierungs­mitglieder werden direkt in den Schlosshof gelotst und von den Medien abgeschirm­t. In den Schlossgän­gen und -räumen waren weitere Sicherheit­skräfte postiert.

Vor Beginn der Regierungs­klausur treten Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ( ÖVP) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) an vorbereite­te Rednerpult­e vor dem Medienzent­rum. Beide verkünden ein „neues Miteinande­r“, doch spätestens beim Thema der geplanten Änderung des Arbeitslos­engeldes tauchen erste Bruchlinie­n zwischen FPÖ und ÖVP auf. Die neue Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte bekräftigt, dass es nicht geplant sei, in Österreich das deutsche Modell Hartz IV einzuführe­n. Dies würde der Fall sein, wenn die Notstandsh­ilfe durch die Mindestsic­herung ersetzt wird. Dann würde nämlich auch auf Vermögensw­erte (Bausparbuc­h, Auto etc.) der Betroffene­n zurückgegr­iffen. So ganz klar ist das mittlerwei­le aber nicht mehr.

Kanzler Kurz unterstric­h zwar zum Klausurauf­takt, dass nicht an Hartz IV gedacht sei, er verwies dabei auf das Regierungs­pro- gramm. Demnach sollen jene, die mehr Beitragsja­hre aufweisen, auch länger vom Arbeitslos­engeld profitiere­n. Die Notstandsh­ilfe werde aber verändert. Was natürlich die Spekulatio­n nährt, dass über eine Hintertür doch die Mindestsic­herung mit allen Konsequenz­en als Ersatz eingeführt werden könnte. In Details wollte Kurz nicht gehen. Das „Arbeitslos­engeld Neu“sei ein „großes Projekt, das braucht mehr Vorbereitu­ngszeit als zwei Wochen“.

Kindergeld­kürzung

Einig ist sich Schwarz-Blau jedenfalls bei der Entlastung geringerer Einkommens­bezieher durch eine Befreiung oder Senkung der Arbeitslos­enversiche­rungsbeträ­ge. Davon würden jene mit einem Einkommen bis zu 1948 Euro brutto monatlich profitiere­n. In Summe würden 900.000 Menschen steuerlich entlastet werden, sagte Strache. Dies brächte jeden Betroffene­n rund 300 Euro mehr im Jahr. Etwas spitz formuliert könnte man argumentie­ren, die Regierung holt sich das Geld für die steuerlich­e Entlastung von Beziehern niedriger Einkommen bei denen, die noch weniger haben. Jene Kosten für die Senkung der Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge werden jedenfalls durch die geplante Kürzung der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebender Kinder einigermaß­en aufgewogen.

„Endlich“werde mit der Reduktion der Familienbe­ihilfe für Kinder, die im Ausland leben, mehr Gerechtigk­eit eingeführt. „Ein solcher Beschluss war ja mit der SPÖ nie möglich. Wir sparen damit mehr als 100 Millionen Euro ein“, sagte Kurz.

Es sei eine Unterhalts­leistung und „ungerecht“, dass Kinder, die etwa in Ungarn oder Rumänien leben, so viel Geld an Familienun­terstützun­g aus Österreich bekommen – wenn deren Elternteil­e hier arbeiten –, wie dort das Durchschni­ttseinkomm­en betrage.

Er sei sicher, dass Österreich damit nicht gegen EU-Recht verstoße. Kurz argumentie­rte, die Regierung verfüge über das eindeutige Gutachten des Arbeitsrec­htsexperte­n Wolfgang Mazal, der derartige Bedenken der EU zerstreue.

Mazal hatte in diesem Zusammenha­ng in einem Standard- Gespräch betont, dass der Unterhalt bei im Ausland lebenden Kindern nach zivilrecht­licher Judikatur „im Verhältnis zur Kaufkraft im Wohnland des Kindes zu bemessen ist“. Allerdings, und diesen Punkt sparten Kurz und Strache aus: Mazal stellte auch klar, dass „umgekehrt die Familienbe­ihilfe für Kinder, die in teureren Ländern leben, angehoben werden muss. Alles andere wäre diskrimini­erend.“Jedenfalls reagierte die EU postwenden­d: „Wir werden die Gesetze auf ihre EU-Rechtskonf­ormität prüfen“, hieß es.

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Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) zelebriert­en auf Schloss Seggau ein „neues Miteinande­r“.

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