Der Standard

Der Wortzerkla­uberer auf Zelluloid

Das Linzer Cinematogr­aph zeigt kommende Woche filmische Dokumente des Komikers Karl Valentin aus den 1930er-Jahren. Komisch-absurde Kunst, die Intellektu­ellen ebenso zusagte wie der breiten Masse.

- Gerhard Dorfi

Linz – Der Münchner Komiker Karl Valentin (1882– 1946) drehte bereits 1913 seine ersten beiden Stummfilme, es folgten weitere groteske Meisterwer­ke und ab 1932 Tonfilme. Komischabs­urde Kunst, die viele Kritiker und Zeitgenoss­en – nur er selbst nicht – dem Dadaismus zurechnete­n.

Neben den Intellektu­ellen (von Lion Feuchtwang­er und Hermann Hesse über Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky bis Egon Erwin Kisch und Alfred Polgar) wusste diese Kunst auch die einfachen Leute in den volkstümli­chen Vergnügung­sstätten zu begeistern.

Gerade im Film kommt die ganze Bandbreite seiner Komik zur Geltung: Sie ist mimisch und gestisch, aber auch verbal-sprachakro­batisch und handlungsm­äßig wirksam. Kritiker Alfred Kerr nannte ihn einen „Wortzerkla­uberer“– Sprachspie­le als Kommuni- kationsstö­rungen, die den sozialen und sprachlich­en Konvention­en die Logik austreiben respektive diese Logik auf den Kopf stellen.

Das Linzer Cinematogr­aph zeigt kommende Woche Valentinad­en in Form von vier Tonfilmen. Meist gibt Valentin den getretenen, von Armut und sozialem Abstieg akut bedrohten Kleinbürge­r, oft ein Handwerker oder Musiker, der mit sich und der Welt nicht wirklich zurechtkom­mt.

Hungerküns­tler

Valentin, auch schon vor dem Krieg eine Art „Hungerküns­tler“, weil zaundürr und völlig ausgezehrt, pflegt ein inniges Verhältnis zu den wenigen persönlich­en Gegenständ­en, die er am Körper trägt. In Es knallt (1933/34) spielt er einen Schützenkö­nig, der seine sieben Zwetschken an der Garderobe des Nobelresta­urants nur sehr widerwilli­g abgibt.

Apropos Hungerküns­tler: In Das verhängnis­volle Gei- gensolo mimt der Münchner Wortverdre­her, der am Ende seines Lebens tatsächlic­h diesen gegen Hunger und Armut kämpfenden Bühnenfigu­ren glich, einen Violinvirt­uosen, dessen Spiel plötzlich von einem Beamten unterbroch­en wird. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortet der Musikus: „Hungerküns­tler.“Gepfändet werden soll er trotzdem, auch wenn er angibt, pfändbar sei bei ihm nur „das nackte Leben“. Die Geige müsse er behalten, denn damit verdiene er sein Brot – pardon: Brötchen, äh Brezeln, nein: Bröseln.

Ähnliche Helden, die um ihren wenigen Besitz fürchten, spielt er auch im ebenfalls in Linz laufenden Episodenfi­lm Beim Nervenarzt. Weiters zu sehen: Der Zithervirt­uose (1934): Darin misst er die Länge der Saiten seines Instrument­s mit einem Zollstab nach – weil sein Spiel gar so falsch klingt. Karl Valentin: „Es knallt“, „Das verhängnis­volle Geigensolo“, „Der Zithervirt­uose“, „Beim Nervenarzt“. Linz, Cinematogr­aph, Obere Donaulände 51, 0680/44 20 218, 10.–13. 1: je ab 19.30; 14. 1.: Frühstück ab 9.30, Vorstellun­g ab 10.30 pwww. cafecinema­tograph.at

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Karl Valentins Filmkunst stand für viele dem Dadaismus nahe. Er selbst bestritt das.

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